Rezension

Body Positivity in Buchform

Dumplin' - Julie Murphy

Dumplin'
von Julie Murphy

Bewertet mit 4.5 Sternen

Inhalt
Willowdean „Will“ Dixon ist - nach eigener Aussage - fett. Und meistens hat sie kein großes Problem mit ihrem Körper. Doch dann kommt der Sommer, in dem ihre beste Freundin Ellen plötzlich eine neue, dünne, hübsche beste Freundin hat und Will zum ersten Mal geküsst wird. Und plötzlich ist sie gar nicht mehr so selbstsicher. Umso schlimmer, dass ihre Mutter den jährlichen Miss Teen Blue Bonnett-Wettbewerb organisiert und ihr ständig Druck wegen ihres Körpers macht. Doch Will findet: Sie sollte sich für andere nicht verbiegen müssen. Kurzerhand meldet sie sich für den Wettbewerb an. Und löst eine Menge Chaos aus.

Meinung
Langsam aber sicher bahnt sich Diversität ihren Weg ins Jugendbuchgenre. In den letzten Jahren habe ich einige Bücher mit People of Colour als Hauptfiguren, Figuren mit anderen sexuellen Orientierungen oder psychischen Erkrankungen gelesen. Nun freue ich mich, dass - gerade angesichts der vielen negativen Körperbilder, die Protagonist*innen oft verbreiten - auch der unterschiedliche Körperbau verschiedener Menschen und das Thema Body Positivity (positive Einstellung gegenüber dem eigenen Körper und dem anderer) Einzug finden.
Von Anfang an mochte ich die Art, wie Will mit ihrem Körper umgeht. Sie nennt sich selbst ganz salopp „fett“, aber nicht so, wie einige durchschnittlich gewichtige Protagonistinnen das tun, die ein unrealistisches, toxisches Körperbild von sich haben,  sondern einfach als Fakt. Sie steht dazu übergewichtig zu sein und fühlt sich meistens auch wohl damit, unter anderem, weil sie mit ihrer verstorbenen Tante Lucie einen wertvollen und liebenswerten Menschen kannte, der ebenfalls übergewichtig war. Von Anfang an ist klar, dass Will nicht vorhat, sich durch Diäten, Sportprogramme oder ähnliches, die ihre Mutter ihr gerne andrehen will, den gängigen Schönheitsidealen anzupassen. Ein tolles Vorbild für junge Leser*innen, die lernen sollten, ihren Körper als schön und richtig zu akzeptieren, so wie er ist.
Gewünscht hätte ich mir manchmal jedoch eine Differenzierung zwischen dem Wunsch aufgrund von Schönheitsidealen abzunehmen und dem, aus gesundheitlichen Gründen anzunehmen. Über ihren eigenen Gesundheitszustand sagt Will selbst nichts, doch ihre Tante ist unter anderem aufgrund ihres extremen Übergewichts sehr früh gestorben. Es hätte sicherlich nicht schaden können, diese Tatsache noch mehr zu thematisieren, um klarzumachen, dass man sich in seinem Körper zwar wohlfühlen, ihn aber dennoch gut behandeln sollte - Was sowohl für über- als auch für untergewichtige Menschen gilt.
Ständig provoziert durch den Schönheitsköniginnenwettbewerb, den ihre Mutter mit anleitet, und gehässige Kommentare anderer entscheidet Will schließlich, dass sie sich für ihren Körper nicht verstecken oder schämen muss und meldet sich für besagten Wettbewerb an. Sie löst eine Kettenreaktion aus, die auch andere Mädchen, die aufgrund ihres Äußeren gehänselt werden, dazu ermutigt, sich ins Rampenlicht zu stellen und zu beweisen, dass sie schön sind wie sie sind. Auch am Beispiel von Millie, Amanda und Hannah wird klar, dass die Menschen, die viele bisher für „Freaks“ gehalten haben, wunderbare und liebenswerte Menschen sind, die näher kennenzulernen sich lohnt. Eine tolle Botschaft!
Dennoch ist Will nicht immer das perfekte, selbstbewusste Vorbild für andere. Zwar steht sie meist zu ihrem Körper, doch auch sie hat ihre „schwachen Momente“ in denen sie sich wünscht, einfach zu sein wie alle anderen. Besonders als der gutaussehende Bo sich für sie interessiert, wird auch sie verunsichert. Nicht, weil sie nicht glauben könnte, dass er etwas an ihr findet (Ein weiterer Teil der tollen Botschaft: Du bist liebenswert und Menschen können sich zu dir hingezogen fühlen, egal wie deine Figur aussieht!), sondern weil sie Angst vor den Kommentaren anderer hat. So traurig es auch war, diesen negativen Einfluss der Gesellschaft zu sehen, so authentisch machen diese Momente Will auch.
Das wohl beste und positivste an dem Buch in Bezug auf die Thematik ist allerdings, dass sich nicht alles in „Dumplin‘“ um Wills Körperbau dreht und sie damit als Figur nicht nur auf ihr Gewicht reduziert wird.
Will ist ein normaler Teenager und hat mit völlig alltäglichen Problemen zu kämpfen wie dem Auseinanderleben mit der besten Freundin, einer konfliktreichen Beziehung zu ihrer Mutter und romantischen Gefühlen. Sie zeigt sich eifersüchtig auf eine neue Freundin ihrer besten Freundin und hat Schwierigkeiten sich ihrer Mutter nahe zu fühlen, die scheinbar so anders ist als sie und ihre Tante und kein Verständnis für sie hat. Gerade ihre Beziehung zu Ellen und ihrer Mutter fand ich angenehm authentisch und emotional und es hat mir gut gefallen, dass diesen mehr Raum gegeben wurde als der Liebesgeschichte.
Auch in diesen Aspekten der Geschichte beweist Will, dass sie alles andere als perfekt ist, ist eifersüchtig und zickig, zeigt aber auch ein gutes Herz und Kompromissbereitschaft.
Zwei kleine Kritikpunkte habe ich jedoch: Zum einen zieht sich die Geschichte in meinen Augen manchmal ein wenig, da sie keinen klassischen Spannungsbogen hat und hauptsächlich Wills Leben beschreibt. Zum anderen war mir gerade angesichts von Will, ihrer Mutter und ihren Freundinnen Bo als Figur zu perfekt und zu langweilig. Es wird zwar gezeigt, dass Will als eine der wenigen hinter seine stille, geheimnisvolle Fassade blickt, doch er kam mir immer noch sehr distanziert vor.

Fazit
„Dumplin‘“ ist ein tolles, positives Jugendbuch, nicht nur über Schönheitsideale und die Tatsache, dass Menschen schön sind, wie sie sind, sondern auch über Freundschaft, Liebe und eine komplizierte Mutter-Tochter-Beziehung. Authentisch, jugendlich und mit einer wichtigen Aussage.