Rezension

Booker-Preis würdig?

Mädchen, Frau etc.
von Bernardine Evaristo

Bernardine Evaristo ist 2019 für 'Girl, Women, Other' als erste schwarze Frau mit dem Booker-Preis ausgezeichnet worden. Zugegeben, sie musste sich diesen teilen, mit der 'Großmeisterin' Margaret Atwood. Der Jury-Vorsitzende Peter Florence bezeichnete das Buch als 'bahnbrechendes Spektrum von schwarzen britischen Frauen heute'.

Das Buch passt augenscheinlich im Jahre 2020/2021 in die öffentliche Diskussion und befolgt alle 'modischen Diversity-Regeln' (Zeit-Online), ist also zwangsläufig in die aktuelle Rassimus-Feminismus-Debatte einzuordnen, aber was genau will es erzählen?

Auf jeden Fall schon mal keine Geschichte. Es ist ein plotloser Roman, ein Figuren-Reigen, dessen Mitglieder lose verbunden sind durch ihre Nationalität, ihre Hautfarbe, ihre geschlechtliche Identität und dadurch, dass sie (6 Degrees of Separation) irgendwie direkt oder indirekt miteinander zu tun haben (Verwandtschaft, Freundschaft, Lehrer, Mitschüler, ...). 

Als weiße Frau habe ich dieses Buch mit der Erwartungshaltung gelesen, insbesondere Aspekte zu entdecken, die mir aufgrund meiner Hautfarbe fremd sind, doch fiel es mir schwer, mich aufgrund der zwar vorhandenen, aber nicht im Vordergrund stehenden rassistischen Aspekte, nicht mit den Frauen zu identifizieren. Und das lag mitunter am besonderen Erzählstil der Autorin, selbst Professorin für Kreatives Schreiben, den sie als 'fusion fiction' bezeichnet. Er zeichnet sich durch die Abwesenheit von Satzpunkten und stattdessen viele Absätze und Zeilensprünge aus, die dem Text stellenweise einen lyrischen Charakter verleihen. Diese Art des Schreibens ist dazu gedacht, 'in die Gedanken' der beschriebenen Person abzutauchen und sich trotz der Erzählperspektive der 3. Person mit der Person zu identifizieren. 

Allerdings ist der Schreibstil nicht der einzige Grund, aus dem ich mich mit den dargestellten Frauen identifizieren konnte. Es war auch die Tatsache, dass jede der erzählten Geschichten irgendwie nicht neu war. Oder zumindest nicht in einer Tiefe erzählt wurde, die mich etwas realisieren ließ, was andere Bücher und Geschichten und Filme nicht schon längst übermitteln konnten. Daher weiß ich leider wirklich nicht, was die Booker-Preis Jury als 'bahnbrechend' empfand. In der Menge der zusammengestellten Personen ist es eher ein Sammelsurium an Geschichtenskizzen, von denen jede einzelne in ein interessantes Buch ausgearbeitet werden könnte, aber was will man damit aussagen?

Sollte es um eine Charakterisierung von 'schwarzen Frauen (etc.)' gehen (lassen wir England mal außer Acht), muss ich leider sagen, dass es unter dem Rassismus-Aspekt in meinen Augen doch nicht darum gehen sollte, Abgrenzung zu betreiben und diese Gruppe isoliert zu charakterisieren, sondern dass der Fokus mehr auf dem liegen sollte, was uns (Frauen) vereint. Das habe ich beim Lesen zwar so empfunden, aber es erschien mir irgendwie von der Autorin nicht so gewollt, was diverse Rezensionen und Jury-Aussagen ja so vermitteln. Daher bin ich immer noch etwas ratlos, was  ich aus dem Buch mitnehmen soll, wenn auch einzelne Kapitel für sich allein betrachtet sehr unterhaltsame Geschichten erzählten.

Kommentare

LySch kommentierte am 28. Februar 2021 um 22:51

Hmm...ich war absolut nicht angetan von diesem Roman und kann die in einigen Punkten deiner Rezi nur zustimmen.

wandagreen kommentierte am 01. März 2021 um 08:57

Auf den Punkt.