Rezension

Braucht Zeit zum Warmwerden

Das Blütenstaubzimmer - Zoe Jenny

Das Blütenstaubzimmer
von Zoe Jenny

Die Schweizer Autorin Zoe Jenny gilt schon lange nicht mehr nur als Geheimtipp in der Literaturwelt. Schon ihr Debutroman „Das Blütenstaubzimmer“ stand lange Zeit auf der Bestsellerliste und räumte einige wichtige Preise, wie zum Beispiel den aspekte-Literaturpreis ab.

Dabei ist das Buch wahrlich keine leichte Kost. Die Protagonistin Jo ist ein zwischen den Welten zerrissenes Mädchen. Auf der einen Seite steht der Vater, liebevoll und mit vielen positiven Kindheitserinnerungen ausgestattet, aber doch nicht in der Lage, seiner Tochter eine behütete Kindheit zu bieten, da er viel zu sehr auf der Suche nach dem eigenen Glück ist.

Auf der anderen Seite die Mutter, die sich schon in der Kindheit aus dem Staub gemacht hat, nach dem Tod ihres Lebensgefährten zutiefst verstört und nicht fähig, Liebe oder Zuneigung zu ihrer Tochter zu zeigen.

Nach dem Abitur reist Jo nach Italien zu ihrer Mutter, die sie schon seit Kindheitstagen nicht mehr gesehen hat. Kurze Zeit später ereignet sich ein schrecklicher Unfall, bei dem der Lebensgefährte der Mutter getötet wird. Diese schließt sich wochenlang in seinem alten Atelier – ihrem Blütenstaubzimmer – ein, in das sie Unmengen von Blumen trägt und verstreut.

Jo steht dem Szenario hilflos gegenüber, ihr Vater hat eine neue Familie, ihre Mutter eine Lebenseinstellung, die sie nicht nachvollziehen kann. Keinem von
beiden kann das junge Mädchen helfen.

Zoe Jenny schreibt sehr verdichtet mit einer extrem bildhaften Sprache. So nehmen zum Beispiel die Symbolik der Blumen, die in beinahe jeder Szene vorkommen und die Symbolik des Schnees ganz zentrale Punkte in der Geschichte ein. Sie schreibt inhaltlich sehr viel auf sehr kurzem Raum, der Roman fasst gerade mal 112 Seiten und trotzdem erfährt man so viel über die Hauptpersonen, von Jos frühesten Kindheitserinnerungen bis hin zu einer abgebrochenen Schwangerschaft in Teenager- Jahren und dem momentanen Geschehen, dass man am Ende eher das Gefühl hat, man habe einen 800-Seiten- Wälzer gelesen als dieses kleine unscheinbare Büchlein.

Ich persönlich habe es in der 11. Klasse in der Schule schon einmal gelesen und damals hat es mich ziemlich getroffen und verstört – heute bin ich in der Lage, das Beschriebene mit mehr Abstand zu lesen und alle Zusammenhänge zu verstehen. Ein Buch, auf das man sich definitiv einlassen muss und das einen nicht gleich mit Sympathien überschüttet.