Rezension

Brilliant

Der digitale Tod - Tobias Schrödel

Der digitale Tod
von Tobias Schrödel

Bewertet mit 5 Sternen

„Seit Juni 2017 hat Facebook über zwei Milliarden User. Und alle werden sterben. Früher oder später zumindest. Manche erst in zehn oder zwanzig Jahren, manche aber noch heute, im Laufe des Tages.“

Dieser fulminante Einstieg in die Geschichte macht Gänsehaut, zumindest bei mir. Das Buch mit diesem brisanten, aber absolut hochaktuellem Thema ist von Tobias Schrödel sensibel und interessant von allen Seiten beleuchtet.

Was passiert mit den vielen Datengräbern bei Facebook oder Instagram ? Dürfen Eltern die Handydaten – Fotos und Whatsapp-Chats - oder auch Facebookverläufe ihres toten Kindes einsehen ? Auf diese Frage gibt es kein klares Ja oder Nein, da einfach jeder Fall besonders ist und viel zu viele Emotionen damit verbunden sind.

Eine Mutter hat sich an den Autoren gewandt, weil er das Handy ihrer toten Tochter knacken soll, damit sie die letzten Bilder und auch Sprachnachrichten ihrer Tochter bekommen kann. Tobias sagt erst sofort zu, hat aber dann doch Zweifel, ob er das richtige tut. Jeder hat natürlich erstmal eine Meinung zu diesem Thema. Es kommen ein Jurist, ein evangelischer Pfarrer, eine Trauerrednerin und ein Kommunikationswissenschaftler zu Wort.

Zitate

Christian Solmecke – Jurist.

Das Gesetz darf da keinen Unterschied zu Briefen machen. Die werden seit Jahrhunderten vererbt. Auch da wusste der Schreiber, dass irgendwann die Erben lesen können, was er über sie geschrieben hat.

 

Bernhard Götz – evangelischer Pfarrer

Suizid ist eine Anklage an das Umfeld. So sehen wir es zumindest. Antworten entlasten oder belasten.

 

Früher hattest du 36 Fotos auf einem Agfa-Film. Jedes Foto war en Ereignis. Die Bilder waren überschaubar und weitergebbar. Heute hast du tausende Fotos auf dem Handy. Das ist nicht überschaubar und macht ein Leben am Ende ereignislos. Es bleibt letztendlich keine wertige Erinnerung übrig.

Birgit Aurelia Janetzky – Trauerrednerin und Expertin für digitalen Nachlass

Um 2008/2009 herum wollte ich einmal einen Eintrag im Internet über mich löschen lassen. Das war unheimlich mühsam und ich fragte mich: Wie soll ein Toter das tun ?

 

Viele Aussagen in diesem Buch sind so wahr, einem selbst aber gar nicht bewusst. Es ist spannend zu lesen mit ein bisschen schwarzem Humor. Die Geschichte wird bei mir noch lange nachklingen und das Buch von mir noch an Freunde und Familie weitergegeben werden. Eine ganz klare Leseempfehlung.