Rezension

brisantes Thema

Das Nest - Cynthia D'Aprix Sweeney

Das Nest
von Cynthia D'Aprix Sweeney

Bewertet mit 4 Sternen

„Das Nest“ von Cynthia D'Aprix Sweeney ist zuallererst einmal ein New York Roman. Hier ist alles eine Nummer größer, die Häuser, der Erfolg, das eigene Ego, ein idealer Hintergrund für die Abgründe der menschlichen Seele und wann entzünden sich innerfamiliäre Konflikte am ehesten? Kaum zu glauben, wenn es eine Erbschaft zu verteilen gibt! Und diese vier Ostküstennarren, in zwei Männer und zwei Frauen aufgeteilt, sind typische Vertreter ihrer Stadt. Alle auf dem Weg nach unten, bemüht den Anschluss an die amerikanische Mittelschicht zu halten, aber finanziell, beruflich und gesundheitstechnisch unter Druck, was sich beim Testosteron geplagten Alphamännchen Leo, darin niederschlägt keiner Droge aus dem Wege fahren zu können, weder dem Kokain noch den zweibeinigen Versuchungen, die völlig talentfrei immer ins Musikbusiness wollen.

Es kommt zu einem schicksalhaften Autounfall, der eine Lawine in Gang setzt, die die ganze Familie mitzureißen scheint. Sein homosexueller Bruder Jack braucht dringend Bares, weil sein Kunsthandel auf der Kippe steht. Für die erfolglose schriftstellernde Schwester Beatrice ist die Erbschaft, die alle nur als Nest bezeichnen, die letzte Ausfahrt vor der totalen Bedeutungslosigkeit. Während bei der vierten im Bunde- Melody eher die Familiengemütlichkeit und der Dazugehörigkeitswahn der amerikanischen Mittelklasse im Vordergrund steht.

Erbschaftsromane sind ein dankbares Genre. Die Konfliktlinien ziehen sich quer durch die Familie und dennoch ringt die Autorin ein paar mal zu früh die Spannung nieder, indem sie die Fallhöhe ihres Quartetts auf ein Minimum reduziert, was ich persönlich schade fand. Dafür bewegt sich das Buch dann in ganz andere Bahnen oder noch unbekannten Pfaden, zumindest für mich, der noch nichts in der Richtung- wie verhalten und verändern sich Menschen, die immer gewusst haben eines Tages zu erben, nach der ersten Enttäuschung alles verloren zu haben?

Und das wiederum fand ich sehr spannend erzählt, von einer Frau, die sich mit zunehmender Romanlänge regelrecht frei schreibt. Hinten raus hat das Ding wahrlich Sogwirkung und manche Überraschung, die in einen Erkenntnisgewinn münden. Keine Frage. Bis dahin sind jedoch einige Längen zu überbrücken. Alles in allem ein empfehlenswerter Roman mit überraschendem Ende.