Rezension

Bröckelnde Fassaden

Handauflegen - Alan Bennett

Handauflegen
von Alan Bennett

Bewertet mit 4 Sternen

Der englische Schriftsteller Alan Bennett ist hierzulande wohl hauptsächlich durch sein Buch "Die souveräne Leserin" bekannt, ein charmanter Roman über die Queen und einen Bücherbus.
"Handauflegen" zeigt ihn von einer bissigeren Seite. Der Kurzroman dreht sich um den Gedenkgottesdienst für einen Promi-Masseur, dessen Todesursache unbekannt ist, der aber wohl auch Leistungen anderer Art erbracht hat und zwar für beiderlei Geschlecht. Nun rutschen diverse Damen und Herren nervös auf den Kirchenbänken herum, belauern sich gegenseitig, während sie gleichzeitig versuchen, ganz ungerührt zu wirken. Über allem schwebt ein Hauch von Todesangst, die Vermutung, der liebe Clive sei etwas potentiell Ansteckendem erlegen.
Auch der Leiter des Gottesdienstes, Pater Joliffe, kannte Clive und erinnert sich an ihn. Aber es scheint durchaus unterschiedliche Erinnerungen an ein und dieselbe Person zu geben...
"Handauflegen" überzeugt durch seinen pointierten schwarzen Humor, charmante Bissigkeit und einen klaren Blick auf das Wesen des Menschen. Kurz und knapp, ich liebe das englische Wort "concise" in diesem Zusammenhang, berichtet Bennett über die vielschichtigen Reaktionen der Trauergemeinde, darüber, dass jeder "seinen" Clive als den einzig wahren betrachtet, über Liebe und Begehren, über Schuld und Gewissen und über die Macht der Berührung.
Ich mag Bennetts Romane sehr. Der ausgeprägt britische Humor in Verbindung mit kluger Beobachtungsgabe ergibt einen unverkennbaren Stil, eine ganz besondere Sicht auf die Menschen und das, was sie bewegt.