Rezension

Broken Dolls - Er tötet ihre Seelen // James Carol

Broken Dolls - Er tötet ihre Seelen
von James Carol

Bewertet mit 3 Sternen

Broken Dolls ist eines der Bücher, die in meinem Regal gelandet sind, weil mich das Cover einfach total angemacht hat. Und dann auch noch ein Reihenauftakt. Für mich als Reihen-Junkie eigentlich ein Hauptgewinn. Und dann liest man (auch mal) den Klappentext und was bekommt man? Einen Ermittler, der selbst einen Serienmörder zum Vater hatte. Als dieser dann geschnappt wird, sitzt Jeffrey Winter im Zuschauerraum, als sein Vater seiner rechtmäßigen Strafe zugeführt wird und die Todesstrafe bekommt.

Nach einer kurzen, wenn auch erfolgreichen Karriere beim FBI macht sich Jeffrey Winter selbständig, um auf eigene Faust Mörder zu überführen. Er hat ein ganz besonderes Händchen für diese Sache und seine Erfolgsquote ist makellos. Wenn er gerufen wird, dann sind es meist brutale und scheinbar aussichtslose Fälle. Einer dieser Fälle führt ihn nach London, wo ein perfider Täter bereits vier Frauen entführt hat. Nur getötet hat er sie nicht. Er tut ihnen etwas an, was vielleicht noch schlimmer ist als der Tod. Die Frauen werden gefangen gehalten, über Wochen hinweg gefoltert und wenn ihr Wille gebrochen ist, müssen sie eine Lobotomie bei vollem Bewusstsein ertragen. Nur haben sie eben dieses Bewusstsein zum Schluss nicht mehr. Der Täter schneidet den Frauen ins Gehirn und diese vegetieren fortan nur noch vor sich hin.

Eigentlich heißt es ja immer „Sex sells“. Im Thriller-Genre scheint es eine entsprechendes Äquivalent zu geben, wonach Blut und Brutalität eben auch immer zieht. Diesen kleinen Grundsatz hat sich auch James Carol zu eigen gemacht, denn Broken Dolls ist wahrlich nichts für schwache Nerven. Das Blut spritzt, Körperteile gehen verlustig und Haut wird zerschnitten und verstümmelt. Wer sowas nicht mag, der wird mit diesem Buch nicht viel Freude haben.

Doch die Geschichte an sich hat wirklich Potenzial. Und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen hat James Carol einen ganz eigenen Tätertyp geschaffen. Der Killer ist eigentlich gar kein Killer, wobei die Sache mit der Lobotomie nicht ganz neu ist. Ich meine mich erinnern zu können, dass Fitzek sowas auch schon einmal gemacht hat. Aber spannend ist es trotzdem immer wieder. Auch der Hintergrund des ganzen Falles konnte mich eigentlich überzeugen. James Carol streut immer mal wieder kleine Brotkrumen auf dem Weg zur Lösung des Falles und lenkt den Leser auch ab und an auf eine falsche Fährte. Dabei geht er wirklich geschickt vor. James Carol beweist damit wirklich, dass er etwas auf dem Kasten hat.

Zum anderen schaffte Carol einen ganz eigenen Ermittler. Winter ist mir vor allem durch seine exzentrische Art in Erinnerung geblieben. Das finde ich allerdings erst einmal überraschend. Denn eigentlich hätte Winters prägnanteste Eigenschaft sein müssen, dass er der Sohn eines Serienmörders ist. Doch dieser Punkt ging sowas von Baden, dass ich mich gefragt habe, warum Carol sich die Mühe überhaupt gemacht hat. Zum Anfang hin hört man immer wieder, wie sehr den Ermittler der letzte Satz seines Vaters beschäftigt. Vor dessen Hinrichtung offenbarte er seinem Sohn nämlich, dass dieser so sei wie er. Da erwarte ich als Leser natürlich, dass auch Jeffrey Winter irgendwelche bösen Charakterzüge aufweist oder mit sich selbst hadert. Aber Pustekuchen… Davon merkt man überhaupt nichts.

Obwohl James Carol an sich eine stimmige Storyline einhält, so stellt er seinen Protagonisten doch manchmal sehr auf ein Treppchen. Fälle, in denen ganze Teams seit Monaten arbeiten, löst Winter morgens zwischen Kaffee und Toilettengang. Die Welt ist ja auch so doof. Das einzige Hirn, das auf diesem Boden wandelt, ist das vom Ermittler Jeffrey Winter.

Den Oberhammer brachte Carol aber, als Winter dann von einem anderen Kontinent aus, nur mit einer Mail (ganz ohne Akteninhalt) einen Fall löst. Ja ne, is klar… Also da ist die Fantasie schon arg mit dem Autoren durchgegangen. Die hätte er doch lieber mal in die Sache mit dem Serienmörder-Vater gelegt.

Broken Dolls – Er tötet ihre Seelen hat große Erwartungen in mir ausgelöst, die leider nicht so ganz erfüllt werden konnten. James Carol hatte die Möglichkeit, sich mit einer ganz neuen Ermittlerfigur von seinen zahlreichen Konkurrenten abzuheben und hat diese Chance einfach ungenutzt verstreichen lassen. Dem muss man auf der anderen Seite dafür halten, dass Carol seine Story gut durchdacht hat und den Spannungsbogen auf einem recht hohen Niveau halten konnte. Ich bin auf jeden Fall gespannt, ob Jeffrey Winter auch in den Folgebänden ein intellektueller Überflieger bleibt, der mit seiner arroganten Art nicht immer Pluspunkte sammeln kann. Oder ob ihn endlich seine Vergangenheit einholen wird…

 

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