Rezension

Brutal, aber ziemlich enttäuschend

Todesfrist - Andreas Gruber

Todesfrist
von Andreas Gruber

Bewertet mit 2 Sternen

Auch wenn in Andreas Grubers Todesfrist weitaus weniger Blut fließt, als das Cover zunächst vermuten lässt, wird bereits im Prolog deutlich, dass dieser Thriller für Zartbesaitete eher nicht geeignet ist. Doch so rasant die Geschichte beginnt, so schnell flaut die Spannung, die sich im ersten Drittel des Buches noch kontinuierlich aufbaut, leider auch wieder ab. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass nicht nur die Identität des Mörders, sondern auch das Muster, nach dem er vorgeht, recht schnell bekannt sind und es nur noch darum geht, den Täter zu fassen, seine Motive zu ergründen und weitere Morde zu verhindern.
Zugegebenermaßen ist ein Serienmörder, der sich von den Geschichten aus dem Struwwelpeter inspirieren lässt, durchaus originell. Die mitunter grausamen Erziehungsmaßnahmen, die in diesem Kinderbuch von Heinrich Hoffmann zur Anwendung kommen, sind auch hervorragend geeignet, um einem Mörder, dessen Kindheit von einer enormen Strenge und Lieblosigkeit geprägt war, als Vorlage zu dienen, aber brutale und groteske Mordmethoden allein machen noch lange keinen fesselnden Thriller aus, wenn es der Geschichte und vor allem den Charakteren an Tiefgang fehlt. Auch wenn der Leser Einblick in die zerstörte Seele und die traumatische Jugend des Mörders erhält, bleibt dieser seltsam blass und seine Motive sind zu konstruiert, um noch glaubwürdig und nachvollziehbar zu sein. Der Plot ist durchaus stimmig und die beiden Handlungsstränge laufen auch schlüssig ineinander, aber die Geschichte ist teilweise so weit hergeholt und unglaubwürdig, dass ich einfach nicht mitfiebern konnte. Das lag vor allem an den Charakteren, die entweder so farblos und flach blieben, dass man sich kaum in sie hineinversetzen konnte oder aber so extrem überzogen dargestellt wurden, dass sie damit an Glaubwürdigkeit verloren und einfach nur lächerlich wirkten. Eine Kommissarin wird natürlich berufsbedingt tagtäglich mit Mord und Totschlag konfrontiert, aber wenn die eigene Mutter Opfer eines so grausamen Verbrechens wird, ist das sicherlich keineswegs alltäglich; deshalb könnte man doch selbst von einer noch so tapferen, abgebrühten und robusten Person erwarten, dass sie ein wenig von Trauer ergriffen oder zumindest schockiert ist, wenn die eigene Mutter auf bestialische Weise ermordet wird. Was in Sabine Nemez vorging, was sie dachte und fühlte, war und blieb mir jedoch ein vollkommenes Rätsel. Ich konnte mit dieser Protagonistin jedenfalls weder warm werden noch mitfühlen und hätte mir von ihr doch etwas mehr Emotionen gewünscht. Der Fallanalytiker und forensische Psychologe Maarten S. Sneijder ist so überzeichnet, dass man ihn kaum noch ernstnehmen kann. Der Autor hat wirklich kein Klischee ausgelassen, um diesen Ermittler so skurril wie nur möglich dazustellen. Sneijder ist ein durch und durch arroganter und besserwisserischer Kotzbrocken, der Kollegen und auch Opfern extrem beleidigend und respektlos gegenübertritt. Seine verbalen Entgleisungen sind zwar recht komisch und sein Zynismus erfrischend, aber in der jeweiligen Situation doch sehr verletzend und unpassend. Auch wenn hinter der harten Schale ein weicher Kern zu stecken scheint, kann er diesen gerade dann, wenn es angebracht wäre, recht gut verbergen.
Die Hauptprotagonistin des zweiten Handlungsstrangs, die Psychotherapeutin Helen Berger, ist meines Erachtens der einzig glaubwürdig und wirklich gut ausgearbeitete Charakter im ganzen Roman. Diese zweite Erzählebene war es dann auch, die das ganze Buch rettete und mich weiterlesen ließ, da sie mich weitaus mehr zu fesseln vermochte als die teilweise langatmige Ermittlungsarbeit von Nemez und Sneijder.

Auch wenn Todesfrist von Andreas Gruber mich nicht wirklich überzeugen konnte und nicht annähernd an Rachesommer heranreicht, war es ein recht kurzweiliger und unterhaltsamer Thriller, der sich sehr flüssig lesen ließ. Die Grundidee hat durchaus Potential, auch die Schauplätze waren sehr gelungen, aber die größtenteils flachen Charaktere und der unglaubwürdige Plot waren doch sehr enttäuschend. Auf Spannung oder gar Tiefgang habe ich jedenfalls vergeblich gewartet.