Rezension

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Brutal ehrlich, intensiv und traurig

Die Farbe von Milch
von Nell Leyshon

Marys Leben ist sehr hart, von vieler Arbeit und wenig Liebe durch ihre Familie geprägt. Als Mary eine Anstellung im Haushalt des örtlichen Pfarrers annehmen muss, erfährt sie zum ersten Mal wohlwollendes Verhalten und eine Bildung, von der sie nie gedacht hätte, dass sie sie erfahren dürfte. Doch zu welchem Preis...

"Dies ist mein Buch und ich schreibe es eigenhändig. Es ist das Jahr des Herrn achtzehnhundertundeinunddreißig und ich bin fünfzehn geworden und sitze an meinem Fenster und kann viele Dinge sehen. (...) Mein Name ist Mary und ich habe gelernt, ihn zu buchstabieren. M. A. R. Y. So schreibt man die Buchstaben. Ich will erzählen was passiert ist aber ich muss aufpassen dass ich nicht zu hastig vorpresche wie die Kühe am Weidegatter denn sonst komm ich ins Stolpern und falle und außerdem will ich anfangen wo jeder vernünftige Mensch anfangen sollte. Und zwar am Anfang. " (S.7)

 

England im Jahr 1830. Die 14jährige Mary ist die jüngste von vier Töchtern einer Bauernfamilie. Mary besitzt einen außergewöhnlich starken Charakter, spricht ihre Gedanken frei aus und findet trotz harter Landarbeit, dem leben mit einer Behinderung und Tyrannei ihres Vaters Freude in ihrem Leben. Unter den Schwestern gibt es keinen Zusammenhalt, Liebe erfährt Mary, wenn überhaupt, durch ihren kranken Großvater. Mary wird von ihrem Vater dazu verdonnert, im Haus des örtlichen Pfarrers zu arbeiten. Das will sie nicht, äußert sie auch klar, lässt es aber die kranke Pfarrers Frau, welche sie Pflegen soll, nie auf unangenehme Art spüren. Ihr Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung wird deutlich und zeigt, wie weit Mary ihrer Zeit voraus ist. Als sich ihre Geschichte ändert und sie plötzlich in den Gesuss des Lesen lernens gerät, wird schnell das Ausmaß ihrer Möglichkeiten deutlich.

Nell Leyshon erzählt rückblickend, in ICH-Form mit einem sehr einfachen Schreibstil authentisch von dem ungebildeten Bauernmädchen Mary. Um die damals vorherrschende fehlende Bildung zu verdeutlichen, sind die Sätze sehr kurz gehalten, folgen keinen Kommaregeln und sind so schwer flüssig zu lesen. Weiterlesen lohnt sich aber auf jeden Fall! Mit gut 200 Seiten, ist das Buch auch recht kurz und schnell durchgelesen. Die Botschaft und das Nachdenken über das gelesene halten aber noch lange an!

Mary als Protagonistin empfand ich als wirklich toll. Ich mochte ihren direkten, einfachen und trotzigen Charakter, da gerade zu dieser Zeit nur wenige Frauen solchen Schneid gehabt haben dürften. Ihre Schwestern erfüllen da auch eher das übliche Klischee und Frauenbild zu dieser Zeit. Mary hingegen akzeptiert sich in ihrer "Einfachheit" und kommt auch mt ihrer Sonderstellung durch ihr Knie gut zurecht. Ihre ehrliche Art macht sie dabei zu einem wirklich sympathischen Charakter. Leider nimmt der Klappentext und auch obriges Zitat vieles vorweg, und man wartet bereits zu Anfang der Geschichte auf das tragische Ende und kann die Geschichte nicht unvoreingenommen lesen. Lesenswert ist der Roman dabei auf jeden Fall, lediglich die Spannung baut sich durch das vorweggenommene nicht richtig auf. Dennoch verbleibt der Leser mit einem Drang des Nachdenkens und sacken lassens der Thematik. Gerade das, gefällt mir bei Büchern besonders.