Rezension

Brutale und harte Kost

Eine kurze Geschichte von sieben Morden - Marlon James

Eine kurze Geschichte von sieben Morden
von Marlon James

Bewertet mit 3 Sternen

Jamaika in den 70er Jahren, Bandenkriege, Armut, Drogen, Korruption beherrschen die Gettos. Revierkämpfe sind an der Tagesordnung. Die Dons der Gettos paktieren mit den gegensätzlichen Parteien, Amerika mischt sich in die politische Lage ein. Und dann ist da der Sänger, der sich für den Frieden einsetzt, ein Konzert geben will. Sieben Männer dringen in sein Haus ein, um ihn zu töten. Doch der Anschlag misslingt.

Der Titel des Buches mag irreführend sein, es ist weder eine kurze Geschichte, noch passieren nur sieben Morde. Wer sich bei diesem Buch einen Krimi erwartet hat zum falschen Buch gegriffen Es ist vielmehr ein Abriss der Geschichte Jamaikas von den 70ern zu den 90ern. Das Attentat auf Bob Marley, der im Buch immer nur der Sänger genannt wird ist Teil dieser Geschichte. Bei der Lektüre habe ich immer wieder auf Biografien Marleys bzw. Artikel über Jamaikas Geschichte zurückgreifen müssen, um die Zusammenhänge einordnen zu können. Denn der Autor gibt uns darauf nur wenig Hinweise. Er lässt die Geschichte in allen Abschnitten von mehreren Erzählern schildern. Dies schafft er perfekt  auf unterschiedliche Ausdrucks- und Erzählweise. Es gibt die Dons, die Gangmitglieder (chancenlose Jungs, die oft einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren), CIA-Agenten, Journalisten, sogar einem toten Politiker gibt er eine Stimme.

Eine kurze Geschichte von sieben Morden wäre beinahe eine Ausnahme von meiner 100 Seiten Regel geworden. Wenn ein Buch mich nach 100 Seiten nicht gepackt hat, kann es vorkommen, dass ich es nicht mehr weiterlese. Hier war es so, dass die ersten 400 Seiten in einer explosiven Geschwindigkeit daher kommen. Atemlos, exzessiv, im Drogenrausch platzen die Worte der unterschiedlichen Erzähler heraus fast wie das Gewehrfeuer, dass ständig abgeschossen wird. Dialoge wie in Sprechblasen, unglaublich spannend, und auch trotz der Brutalität und Härte nahegehend. Dies geht so bis zu dem gescheiterten Anschlag auf Bob Marley und sogar bis zu dessen Krebstod Anfang der 80er Jahre.

Dann ändert sich die Erzählweise, als ob die Luft aus einem Ballon gelassen würde, wird verworrener, noch härter, obszöner. Die Handlung verlagert sich teilweise auf New York, wo die Jamaikanischen Drogendealer Fuß fassen. Die nächsten 200 Seiten sind gespickt mit Slangsprache und Drogendeals und Vergeltungsanschlägen. Ab diesem Zeitpunkt habe ich überlegt abzubrechen. Mir war einfach nicht mehr nach Gettosprache, sinnloser Ballerei und habe nur deswegen durchgehalten, um zu wissen, wo das alles hinführt. Ich gebe zu, dass ich dann auch sehr viel quergelesen habe. Lichtblick auf diesen Seiten waren immer wieder die kleinen Kapitel, die von einer weiblichen Erzählerin stammten.

Zum Glück gibt es ein Glossar und ein Personenverzeichnis, sonst wäre das Buch noch ein wenig mehr undurchschaubarer gewesen.

Beim letzten Abschnitt wendet sich die Geschichte allerdings wieder, der Erzählstil wird langsamer, weicher, lesbarer. Lose Enden werden verknüpft und Zusammenhänge klar gemacht.

Ob das Buch historisch korrekt ist, mag dahin gestellt sein. Denn: Wenn’s nicht so war, dann war’s so ähnlich (Jamaikanisches Sprichwort)

Marlon James räumt jedenfalls mit diesem Buch eindeutig mit dem Klischee vom Paradies Jamaika mit Sandstrand und Cocktailbar auf. Das Land ist gebeutelt von Armut, exzessiver Brutalität, Rassismus, Sexismus, Homophobie, politische Fäden wurden von den USA gezogen.

Wer viel Ausdauer mitbringt und sich von der Brutalität in diesem Buch nicht abschrecken lässt ist mit diesem Buch bestens bedient.