Rezension

Bücherliebe zwischen zwei Buchdeckeln

Die Geschichte des Regens - Niall Williams

Die Geschichte des Regens
von Niall Williams

Bewertet mit 5 Sternen

Ruth lebt in der Welt ihrer gut dreitausend Bücher, ein wenig lebt sie zwar auch am Ufer des Shannon in Irland, doch die reale Welt ist ihr nicht halb so lieb, wie gute Geschichten. Das kommt auch daher, dass Ruth, von Leukämie geschwächt, ihr Bett nicht verlassen kann und sich (umgeben von den Büchern ihres Vaters) in andere Welten flieht. Doch unabhängig von ihrer Erkrankung liebt Ruth diese Bücher und spürt ihrem, ebenfalls äußerst literarischen, Vater zwischen den Seiten nach.

Die Protagonistin erzählt ihre eigene Geschichte und hat dabei eine so besondere Stimme, dass man sich völlig in den wunderschönen Sätzen, den humorvollen Szenen und den atmosphärischen Beschreibungen verlieren kann. Zwar sagt Ruth:

„Mrs. Quinty meint, ich litte an Stilistischer Überfülle und müsse mich zügeln.“

Ich sehe das aber ganz anders! Gut, dass sich die Erzählstimme des Buches nicht bremst oder zügelt. So entsteht eine wunderschöne Geschichte die mich mit ihrer beinahe traumartigen Atmosphäre ganz umsponnen hat. Ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist die Angewohnheit durch Großschreibung besonders wichtige Elemente eines Satzes zu betonen. Sobald man sich darauf einlässt, entsteht dadurch jedoch ein ganz  besonderer Rhythmus in der Geschichte.
Die Handlung von „Die Geschichte des Regens“ zu umschreiben ist nicht ganz einfach. Denn sie entwickelt sich weniger linear, als dass sie sich vielmehr flussartig durch das Buch mäandert. Mal werden Einschübe in die Geschichte der Familie oder des Örtchens eingesetzt, mal Abschweifungen in wunderschöne Naturbeobachtungen unternommen.
Zwar bleibt als dominierendes Thema immer Ruths Suche nach dem wahren Wesen ihres Vaters, nach seinen Spuren, doch auch dieses Thema wird wiederholt unterbrochen. Auch andere wiederholende Themen und Motive (wie der Regen, der Fluss und die Lachse) tauchen immer wieder in verschiedenem Zusammenhang auf.

„An Tagen wie diesem ist das ganze Haus im Fluss. Die Felder sind in weihe graue Wettertücher gehüllt. Man kann nichts sehen, doch man hört das Wasser immerzu fließen, als würde das ganze Land an uns vorbeigeschwemmt.“

Besonders begeistert hat mich die Beschreibung der irischen Seele, der kauzigen Dorfbewohner und der beeindruckenden Landschaft. Jede Figur und sei sie noch so unbedeutend für die weitere Handlung, wird mit viel Liebe zum Detail und schönsten Beschreibungen vorgestellt.

So bildet sich aus Ruths Beschreibungen und dem ruhigen dahinfließen der Geschichte bald eine eigene Welt, der man sich nicht entziehen kann. Trotz aller traurigen Abschnitte und tragischen Begebenheiten in der Handlung hat mich „Die Geschichte des Regens“ damit durchgehend glücklich gemacht. Ich wollte dieses Buch am liebsten nicht mehr beenden, sondern immer weiter durch die Handlung treiben.
Ich möchte “Die Geschichte des Regens” allen Lesern ans Herz legen, die einen Sin für fein formulierte, ruhige Geschichten mit einer leisen Melancholie haben. Jeder passionierte Leser wird sich in Ruth wiederfinden und vielleicht geht es euch wie mir, und ihr verliebt euch ein wenig in diese tolle Protagonistin.