Rezension

Bunter Genremix mit 1000 Ideen, leider etwas überfrachtet

Goweli 1 - Der letzte Engel - Gian Carlo Ronelli

Goweli 1 - Der letzte Engel
von Gian Carlo Ronelli

Bewertet mit 3 Sternen

Pro:
Ich stelle mir das so vor: als der Autor sich hingesetzt hat, um dieses Buch zu schreiben, hatte nicht nur eine Muse Dienst, sondern direkt drei. Eine, die sich auf ungewöhnliche Bilder und Metaphern spezialisiert hat, eine für unerwartete und unglaubliche Wendungen in der Handlung und eine, die mit Vorliebe diverse Genres (Science Fiction, Urban Fantasy, Thriller, Liebesschichte?) zu einer interessanten Mischung zusammenrührt. Für mich war der größte Pluspunkt des Romans die Originalität, die sich daraus ergibt: Jesus Christus, Serienkiller? Definitiv eine nie dagewesene Idee, und das ist nur der Anfang der überraschenden Einfälle...

Der Roman fängt direkt spannend an und hält bis zum fulminanten Ende ein rasantes Tempo bei. Schnell wurde mir klar, dass ich mich als Leser entscheiden musste, ob ich den unglaublichen, teils absurden oder bizarren Geschehnissen eine Chance geben wollte - wer Thriller mit knochenhartem Realismus bevorzugt, dürfte hier seine Probleme bekommen, aber wer sich davon lösen kann, bekommt zumindest etwas ganz Eigenes, Neues geboten.

Der Schreibstil hat seine Stärken und seine Schwächen... Er ist auf jeden Fall sehr bildreich und originell und lässt keine Langeweile aufkommen.

Zitat:
"Aus dem monströsen Bauwerk fiel ein zaghafter Lichtschein durch das Fenster über dem Eingangsportal. Es war die Hauptkirche des Klosters, eine Touristenattraktion sondergleichen. An manchen Tagen standen am Parkplatz vor dem Tor bis zu fünfzig Reisebusse. Heerscharen von Besuchern wurden hierher gekarrt, die dann in einem Anfall von Brachialtourismus sämtliche Altäre und Schreine in Grund und Boden fotografierten. Ron war einmal Zeuge eines solchen Überfalls gewesen – Jesus Christ Superstar hatte von diesem Zeitpunkt an eine völlig neue Bedeutung für ihn."

Kontra:
Mit den Charakteren hatte ich meine Schwierigkeiten, besonders mit Mark Grimley. Er ist Indianer, und es wird das ganze Buch hindurch pausenlos darauf herumgeritten, wobei Begriffe wie "Feuerwasser" oder "Bleichgesichter" mich unangenehm an Karl May erinnert haben. Schließlich hat der sich seine verklärte, überzogen romantisch-heroische Welt der edlen Apachen und testosteron-strotzenden Helden komplett aus den Fingern gesaugt. Welcher echte Indianer denkt denn wirklich sowas wie: "Aber was wusste Mark schon von den Denkstrukturen der Bleichgesichter" und trägt - als FBI-Ermittler! - ständig ein Jagdmesser und einen Tomahawk mit sich rum?

Mercy war dagagen eigentlich ein Charakter, der mich angesprochen hat, aber bei ihr ist mir unangenehm aufgestoßen, dass sie gegen Ende plötzlich zum zitternden, schutzbedürftigen Frauchen mutiert, die sowas denkt wie "Ron! Ich habe Angst! Komm zu mir und halte mich!"

Das Cover hat mir überhaupt nicht gefallen. Auf dem Kindle Paperwhite (mit schwarz-weißem Display) hat sich die Schrift so wenig vom Hintergrund abgehoben, dass man sie gar nicht lesen konnte. Aber auch in der farbigen Ausgabe finde ich Schriftart und -farbe nicht gut gewählt.

Um nochmal auf den Schreibstil zurückzukommen: manchmal übertreibt der Autor es einfach mit den Metaphern; die Sätze wirken bemüht, konstruiert und völlig überfrachtet. Viele Bilder ergaben für mich einfach keinen Sinn, und der Humor kam mir öfter erzwungen und unglaubwürdig vor.

Zitat:
"Jeder einzelne Wirbel schmerzte, als wäre ein Teil der Rückbank in seinen Körper einmarschiert, um die Wirbelsäule Stück für Stück heraus zu brechen, gefangen zu nehmen und entgegen aller Schutzbestimmungen für Kriegsgefangene auf grausamste Art zu foltern."

Zusammenfassung:
Der Roman hat viele Schwächen, aber auch überzeugende Stärken. Ich würde das Buch Lesern weiterempfehlen, die etwas ganz Anderes, nie Dagewesenes lesen wollen und dabei in den schwächeren Abschnitten auch mal ein Auge zudrücken können.