Rezension

Byzantinische Verhältnisse

Die Mondschein-Lagune - Dorette Deutsch

Die Mondschein-Lagune
von Dorette Deutsch

Bewertet mit 3 Sternen

Die Archäologin Antonia bekommt ein Angebot, in Venedig einen Forschungsauftrag zu übernehmen, und da ihre Beziehung zu Freund Stefan gefühlsmäßig am Ende angekommen ist, beschließt Antonia, ihrem Leben mit der Reise nach Italien eine neue Richtung zu geben. In Venedig kommt sie über Verbindungen bei Contessa Ada Foscarini unter, einer alten Dame, die mit ihrer Katze Mimi in einem alten Palazzo direkt am Wasser wohnt. Die beiden Frauen sind sich sofort sehr vertraut. Über Ada lernt Antonia auch Dario kennen, den Mann, den sie schon mehrfach durch Zufall in Venedig getroffen hat und der ihr nicht mehr aus dem Kopf geht. Gemeinsam mit Dario und Ada erkundet Antonia die Stadt und die umliegenden Insel. Dabei lernt sie viele gastfreundliche Venezianer kennen, die ihre alte Lagunenstadt mit allen Mitteln erhalten wollen und immer wieder auf die Missstände aufmerksam machen. Gleichzeitig machen sich Dario und Antonia auch auf die Suche nach einem alten Geheimnis aus Adas Familiengeschichte, wobei sich die beiden immer näher kommen…

Dorette Deutsch hat mit „Die Mondschein-Lagune“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und nimmt den Leser direkt mit ins Geschehen, wo er an der Seite von Antonia die wunderschöne und geheimnisvolle italienische Lagunenstadt gründlich erkunden darf. Die Autorin geht mit dem Leser nicht nur auf Entdeckungstour über Brücken und Inseln sowie die einzelnen Stadtteile von Venedig, sondern zeigt auch auf, mit welchen Problemen die Venezianer zu kämpfen haben, seien es die großen Kreuzfahrtschiffe, die in großer Zahl ihre Gäste an Land bringen, oder die schnellen Motorboote, die ebenfalls Gift für die Lagunenstadt sind wie die künstlich angelegten MOSE genannten Sperrwerke, die vor dem Hochwasser schützen sollen. Wer Venedig gut kennt, kann die Problematiken gut nachvollziehen und wird sich auf die Seite der Gegner stellen. Auch die Rundgänge innerhalb der Stadt sowie die Besuche der einzelnen Inseln sind ein Genuss für Liebhaber dieser Traumstadt, denn man hat gedanklich alles vor Augen während der Lektüre. Ebenso wird das italienische Dolce Vita sehr schön präsentiert. Während all dieser Schilderungen geht die angedachte Liebesgeschichte zwischen Antonia und Dario allerdings völlig unter. Die witzigen Einfügungen mit den Gesprächen zwischen der Katze Mimi und ihrem Freund Canaletto, einer Kanalratte, können dies leider auch nicht retten.

Die Charaktere sind charmant in Szene gesetzt, wirken mit ihren individuellen Eigenschaften glaubhaft und authentisch. Allerdings besteht immer ein Abstand zum Leser, so richtig nahe kommt man ihnen nicht. Antonia ist eine Frau, die in Venedig ihre Selbstsicherheit wiederfindet. Sie ist freundlich und offen für Neues, möchte alles Alte von sich streifen. Ada ist mit Abstand die Sympathieträgerin der Geschichte, sie ist eine alte Dame mit Tradition, die viele Geschichten erzählen kann. Herzlich und munter gibt sie ihren Gästen immer ein Gefühl des Willkommenseins. Dario ist ein politisch engagierter Mann, der seine Stadt liebt und alles dafür tut, die misslichen Zustände zu ändern. Mimi ist eine sehr von sich eingenommene Katze, während Canaletto ebenso selbstbewusst als Ratte seine Standpunkte vertritt. Aber auch Protagonisten wie Lele, Vinizio und Fabio spiegeln das Leben Venedigs auf ihre Weise wieder.

Wer in „Die Mondschein-Lagune“ einen Liebesroman vermutet, wird enttäuscht sein. Das Buch gibt einen schönen Streifzug durch die Lagunenstadt wieder sowie das Leben in Venedig im Allgemeinen. Die Handlung hat etliche Längen und ist nur etwas für  Liebhaber, die gedanklich in Venedig herumstromern möchten. Da die durch die Kurzbeschreibung geschürten Erwartungen nicht erfüllt werden, gibt es nur eine eingeschränkte Leseempfehlung.