Rezension

Camille und die Freiheitsstatue

Lady Liberty - Annabelle Tilly

Lady Liberty
von Annabelle Tilly

Bewertet mit 5 Sternen

„...Genau das ist es, was ich an den Amerikanern so hasse: Sie sind oberflächlich, machen, was sie wollen, und können sich bei unzweifelhaften Fehlverhalten nicht entschuldigen...“

 

Wir befinden uns im April 1885. Camille St. Laurent hat Monsieur Aragon einen Zeitungsartikel vorgelegt. Der Chefredakteur des Le Figaro lässt zwar die Streitschrift im Papierkorb verschwinden,

bietet Camille aber an, die Freiheitsstatue auf dem Schiff nach New York zu begleiten und über die Ankunft und den Aufbau zu berichten. Camille nimmt an. Allerdings kann der großartigen Empfang im Hafen nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Sockel noch unvollendet ist.

In New York ist Patrick Journalist im Zeitungsimperium von Joseph Pulitzer. Da der Sockel für die Freiheitsstatue noch nicht fertig ist, erhält Patrick den Auftrag, in der Zeitung zu Spenden aufzurufen und jeden Spender einen Artikel zu widmen. Dabei geht es Pulitzer nicht um Großspenden, sondern um die kleinen Beiträge der ärmeren Bevölkerung.

Als eine junge Prostituierte tot aufgefunden wird und die Polizei den Fall schnell zu Akten legt, recherchiert Patrick weiter. Außerdem bekommt er von Pulitzer den Auftrag, sich um den Journalisten aus Frankreich zu kümmern. Natürlich ahnt keiner, dass es sich um ein junge Dame handelt.

Die Autorin hat einen spannenden historischen Roman geschrieben. Die Geschichte lässt sich flott lesen.

Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Camille stammt aus wohlhabenden Haus. Ihr Vater allerdings hat ihre Begabungen gefördert und ihr ein Studium ermöglicht. Nach einem bitteren persönlichen Erlebnis setzt sie sich für die Rechte der Frauen ein.

Patricks Vater war Polizist. Nach seinem Tod ist er bei Luke, ebenfalls Polizist, aufgewachsen. Er kennt auch die dunklen Gegenden seiner Heimatstadt und zeigt viel Empathie für dessen Bewohner.

Camille wird in New York bei einer Tante wohnen, die vor vielen Jahren Frankreich verlassen hat.

Der Schriftstil ist ausgefeilt. Die Autorin versteht es, eine spannende Handlung mit humorvollen Szenen und historischen Fakten zu kombinieren. So erfahre ich als Leser einiges über die Entstehung der Freiheitsstatue und über den Lebenslauf von Joseph Pulitzer. Außerdem werde ich mit etlichen Sehenswürdigkeiten des historischen New York bekannt gemacht, sei es die Brooklyn Bridge oder Coney Island.

Der trockene Humor von Joseph Pulitzer lockert die Geschichte auf. Auch das erste Zusammentreffen von Patrick und Camille ließ mich schmunzeln, obwohl es für beide eher eine schwierige Angelegenheit war.

Mit Tante Catherine treffe ich auf eine alte Dame, die weiß, was sie will, ihre Abneigung deutlich formuliert, aber auch ein großes Herz hat und bereit ist, umzudenken. Das Eingangszitat stammt von ihr. Auch ihre Gespräche mit Patrick haben lange Zeit eher die Form eines Schlagabtauschs. Ihre Meinung zur Freiheitsstatue liest sich so:

 

„...Haben Sie sich mal damit vertraut gemacht, was die Freiheitsstatue für ein undiskutables Kleid trägt? … Von französischen Chic ist da nichts zu erkennen...“

 

Es gäbe noch einige Protagonisten zu erwähnen, ohne die das Buch nicht das geworden wäre, was es ist, aber das würde den Rahmen dieser Rezension übersteigen.

Bei der Suche nach dem Mörder von Olivia, der jungen Prostituierten, erlebe ich, dass auch in den wohlhabenden Häusern der Stadt nicht alles eitel Sonnenschein ist.

Ab und an ist ein Zeitungsartikel von Camille im Buch vorhanden.

Ein Anhang, der Fakten und Fiktion trennt, und ein Personenverzeichnis ergänzen das Buch.

Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Die letzten Worte meiner Rezension darf Joseph Pulitzer haben:

 

„...Wir Männer müssen uns warm anziehen! Die Zukunft wir zeigen, dass Frauen immer mehr berufliche Positionen einnehmen werden, die heute noch undenkbar scheinen...“