Rezension

Carmens Ende

Das Ende vom Lied - Alfred Bodenheimer

Das Ende vom Lied
von Alfred Bodenheimer

Bewertet mit 4.5 Sternen

Carmen Singer, ein Mitglied von Rabbi Kleins Gemeinde, das zudem in einem sehr komplizierten Verhältnis zu ihm stand, wird von einem Zug überfahren. War es Selbstmord? Ein Unfall? Oder sogar Mord?

Dass es sich um Mord handelt, wird erst nach ungefähr 100 (von ca. 200) Seiten klar, und danach können natürlich erst die Ermittlungen beginnen und Gabriel Kleins Nachbohren bei Menschen aus dem privaten oder beruflichen Umfeld der Ermordeten sowie bei solchen, die eine Person aus Kleins nächster Umgebung beschuldigen. Das Erstaunliche: Obwohl man erst nach der Hälfte des Buchs von einem Kriminalfall sprechen kann, habe ich mich keinen Augenblick gelangweilt und empfand nichts, was da steht, als »Längen«.

Fast alle Kapitel des Buchs beginnen mit einem Brief, den Hermann Pollack, ein Arzt, der die Shoah überlebt hatte, inzwischen auch gestorben ist, an seine – infolge der Internierung in Theresienstadt – an Tuberkulose verstorbene erste Frau Elisabeth geschrieben hat: oft sehr berührende Liebesbriefe, in denen es u. a. auch um das Hohe Lied geht. »Das Ende vom Lied«, der Titel von Alfred Bodenheimes Roman, bezieht sich auf den Schluss des biblischen Buches, aber auch auf das Ende, den Tod, von Carmen Singer – »finis carminis«, wie Klein einmal sagt, als er seine Tochter Dafna in Latein abhört. Pollacks Überlegungen zum Hohen Lied sind dann auch etwas, was Klein sehr beschäftigt.

Hermann Pollacks Briefe erhält Klein von Julia Scheurer zur Lektüre, Tochter Pollacks aus seiner zweiten Ehe, dieses Mal mit einer nichtjüdischen Frau. Julia Scheurer gehört zu den Personen, mit denen Klein spricht, um den Mörder oder die Mörderin von Carmen Singer zu ermitteln.

Kleins Tochter Dafna rückt in diesem Buch verstärkt in den Mittelpunkt – zum einen, da sie in einem Alter ist, in dem die Frage der Zugehörigkeit zum Judentum eine größere Bedeutung gewinnt und sie mit ihrem Vater darüber spricht, zum andern, sofern sie bei der Lösung des Falles eine besondere Rolle spielt. Und Rivka, die (in Anlehnung an Kishon) beste Ehefrau von allen, verliert in diesem Fall ihre Ruhe und ihren Humor.

Die Lösung des Falls ist wieder eine, die den Leser und die Leserin nicht in Harmonie – der Mörder ist gefasst und der Gerechtigkeit Genüge getan, alles ist gut – zurücklässt. Die Lösung ist – angesichts der »logischen« Mörder-Kandidatinnen oder -Kandidaten – überraschend und traurig.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 04. November 2017 um 19:04

In diese Reihe, die wirklich sehr ungewöhnlich ist, hast du dich verliebt. Spricht sehr für den Autoren.

Steve Kaminski kommentierte am 04. November 2017 um 23:40

Ja, ich mag die Krimis von Bodenheimer sehr. Aber jetzt werde ich mindestens ein Jahr warten müssen.