Rezension

Cecelia Aherns All-Age-Roman mit leicht historischem Hintergrund um Perfektion und Nicht-Perfektion

Flawed - Wie perfekt willst du sein?
von Cecelia Ahern

Bewertet mit 5 Sternen

Willst du das perfekte Leben?
Oder du selbst sein?

Das Cover:
Abgebildet ist die Silhouette einer Frau in einem dünnen Kleid. Sie geht auf den Kreis aus Feuer zu, hinter dem die Sonne aufgeht. Der Hintergrund ist oben hell und unten dunkel, liegt im Schatten. Der Titel ist leicht hervorgehoben und in Goldschrift geschrieben. Auch ist der Titel nicht perfekt, fast jeder Buchstabe hat einen Fehler, was sehr gut zur Geschichte passt. Es ist ein wundervolles Cover.

Die Geschichte:
Die 17-jährige Celestine North ist perfekt, genauso wie ihre Familie und Leben perfekt sind. Doch nicht allen geht es so, denn sie haben Entscheidungen getroffen, die die Gilde, das Oberhaupt der Gemeinschaft, nicht billigt. Sie sind die Fehlerhaften, die gebrandmarkt werden und eine Armbinde mit dem Buchstaben ‚F‘ tragen müssen. Sie leben nicht wirklich frei, haben besondere Regeln, gehören nicht zur Gemeinschaft und werden überwacht und kontrolliert. Eines Tages macht Celestine jedoch im Bus einen Fehler und hilft einem Fehlerhaften. Sofort wird sie verhaftet und schon bald wird ihr der Prozess gemacht, aus dem sie sich dank der Hilfe vom Vater ihres Freundes Art, Richter Crevan, rausreden könnte. Doch Celestine entscheidet sich gegen die Lüge und für ihr Gewissen, was ihr Leben für immer verändert wird …

Meine Meinung:
Cecelia Ahern. Wer diesen Namen hört (oder liest), dem geht sicher (ebenso wie mir) das Wort ‚Liebesgeschichte‘ durch den Kopf. Mit Romanen wie ‚P.S. Ich liebe dich‘ oder ‚Für immer vielleicht‘ wurde sie weltberühmt und erfolgreich. Doch diese Denkweise hat sich bei mir geändert, denn Cecelia Ahern hat ihre Fühler ausgestreckt und sich nun auf einem weiteren Gebiet etabliert: den dystopischen Jugendbüchern, den All-Age-Romanen. In ‚Flawed‘, dem ersten Band der zweiteiligen Reihe, geht es um Celestine und die veränderte Welt, in der sie lebt. In dieser Welt müssen alle perfekt sein, perfekt aussehen, sich perfekt benehmen usw. Wer einen Fehler macht, gilt nicht als perfekt und wird meist, nach einer nicht wirklich fairen Verhandlung, mit einem ‚F‘ an einer bestimmten Stelle (es gibt fünf) gebrandmarkt, je nach dem, was für ein Fehler begangen wurde. Die Fehlerhaften dürfen ihre gebrandmarkte Stelle nicht verstecken (außer es geht nicht anders) und müssen Armbinden mit einem ‚F‘ darauf tragen. Mich hat das schon sehr an ‚Der scharlachrote Buchstabe‘ und vor allem an die Judenverfolgung/-diskriminierung vor über 80 Jahren erinnert.

Celestine hat als Protagonistin ein gutes Herz, sie empfindet Mitleid für manche Fehlerhaften, jedoch hat sie Angst vor den Reaktionen der anderen perfekten Menschen. Sie tut in dem Bus jedoch das Richtige und hilft, was sie in meinen Augen wirklich perfekt macht, denn sie zeigt Mitgefühl und tut etwas. So wird sie abgeführt und eingesperrt, doch an ihr soll nun ein Exempel statuiert werden. Celestine entscheidet sich vor Gericht gegen eine Lüge, die ihr Gewissen belasten würde und teilt ihre ehrlichen Absichten mit: Sie wollten dem kranken Mann die Hilfe geben, die er brauchte. Da der einer der obersten Richter der Gilde, Bosco Crevan, der Vater von Celestines Freund Art ist, kommt es nun zu einem immer größer werdenden Hass zwischen Richter Crevan und Celestine, der grauenvolle Ausmaße annimmt und wirklich sehr intensiv beschrieben ist, so dass mir beim Lesen wirklich sehr mulmig im Magen war und ich echt ein paar Mal durchatmen musste.

Im Gefängnis, wo Celestine bis zu ihrer Verhandlung und späteren Brandmarkung warten muss, sieht sie zum ersten Mal ihren Mitgefangenen, Carrick. Obwohl sie nicht miteinander reden und sich nur selten ansehen, gibt Carrick ihr Halt. Von nun an ändert sich Celestines Leben für immer, denn ihr Fall ist außergewöhnlich. Sie wird ausgegrenzt, und darf z.B. nur bestimmte Lebensmittel in bestimmten Mengen essen. Sie hat eine Aufpasserin, die Whistleblowerin Mary May, die ihr zugeteilt wurde und sehr streng ist. Es scheint, als habe das Leben als fehlerhafte Person keinen Sinn mehr, was aus dem Buch teilweise sehr deutlich hervorgeht. Qualen, Leid, Spott, Hohn, Demütigung und mehr … mit all dem muss sich Celestine rumschlagen. Doch sie hat auch unerwartete Verbündete und eine ungeahnte Macht, die sie in den Händen hält. Oder eben auch nicht wortwörtlich in den Händen hält … Celestine ist ein sehr mitfühlender Charakter, den ich sehr ins Herz geschlossen habe. Sie ist zwar manchmal sehr naiv, doch sie lernt aus ihren Fehlern.

Ich war (und bin es irgendwie immer noch) von Cecelia Aherns erstem All-Age-Roman echt hin und weg, ja, geflasht. Flawed ist ein sehr passender Titel, denn das Wort bedeutet ‚mit charakterlichen Mängeln behaftet‘ (auf eine Person bezogen), und das sind die Fehlerhaften nach Auffassung der Gilde. Auch der Untertitel, ‚Wie perfekt willst du sein?‘, spielt auf die Frage an, was denn Perfektion überhaupt ist, wie sie sich zeigt, wer sie definiert. Fehlerhafte sind nicht perfekt, werden deshalb bestraft und ausgestoßen bzw. anders behandelt. Sie sind der Abschaum der Gesellschaft. Sie passen nicht in das System. Das zu lesen und mitzubekommen, hat mich sehr schockiert und nachdenklich gemacht. Denn sind die Personen, die perfekt aussehen, das perfekte Leben haben (was ist das perfekte Leben überhaupt) und sich perfekt benehmen, sich jedoch nur um ihresgleichen kümmern und nicht um die, die wirklich Hilfe brauchen, nicht auch fehlerhaft? Ich könnte jetzt noch sehr lange weiter philosophieren, aber das würde nachher keiner mehr lesen wollen. Zum Abschluss noch die Info, dass Band 2 der Reihe ‚Perfect – Willst du die perfekte Welt‘ heißt und am 17.11.2016 erschienen ist.

Meine Bewertung:
Der erste dystopische Jugendroman von Cecelia Ahern glänzt für mich mit einer wirklich interessante Idee, die irgendwie auch einen historischen Hintergrund hat, und die mich persönlich sehr zum Nachdenken angeregt hat. Was ist perfekt, wer will es sein und ist dieses Konzept so durchzusetzen? Anders als die Liebesromane vorher geht es nun um die Gesellschaft, um Perfektion und Nicht-Perfektion. Wer sich nicht sicher ist, ob das Buch von Cecelia Ahern aus diesem neuen Genre was für ihn/sie ist, sollte vorher auf jeden Fall einmal die Leseprobe gelesen haben. Von mir gibt es auf jeden Fall für das Buch vollkommen verdiente fünf Sterne!