Rezension

Chapeau

S. - Das Schiff des Theseus (Limitierte Auflage)
von J. J. Abrams Doug Dorst

Bewertet mit 4 Sternen

Ich bin auch einige Tage nach beenden des Buches noch etwas überfordert mit der Bewertung. Zum einen hat Das Schiff des Theseus ohne Frage 100 Punkte in Sachen Idee und Gestaltung verdient. Nur ist darüber meines Erachtens die Story - beziehungsweise deren Abschluss - etwas aus dem Fokus der Autoren geraten.

Aber der Reihe nach: Erstmal ist dieses Buch einfach so unheimlich schön gemacht und eine wahre Wunderkiste an liebevollen Detail die entdeckt werden wollen. Stempel, Kopien, Karten, Briefe, Notizen, Fotos – man muss einfach leuchtende Augen bekommen, wenn man Das Schiff des Theseus aus seiner Hülle zieht. Und wer wäre nicht absolut davon begeistert ein Buch in der Hand zu halten, bei dem man neben der gedruckten Geschichte noch in den Randbemerkungen anderer Leute schnüffeln kann?! Diese Randbemerkungen sind natürlich das wahre Highlight des Romans. Kreativ und abwechslungsreich gestaltet bilden sie eine Mischung aus Privatgesprächen und Enträtselung des Textes. Anhand der Schriftfarbe kann man auch grob einordnen wann der jeweilige Kommentar geschrieben wurde. Das macht neugierig und einfach großen Spaß beim lesen. Auch die Schreiber dieser Kommentare Jen und Eric sind einfach liebenswert. Man begleitet ihr schriftliches Kennenlernen, liest über ihre Probleme, Ängste und ihre wachsende Zuneigung. Sehr süß und witzig die Zwei.

Bei der Geschichte selbst hat mir der Stil sehr gefallen. Irgendwie düster und trostlos kann man die Geschichte nicht anders als Stimmungsvoll bezeichnen, auch wenn es doch ein reichlich verwirrender Roman ist. Ich als Leser fühlte mich genauso Ahnungs- und Erinnerungslos wie Hauptcharakter S. Das ist schön Passend. Die Mischung aus Realem und Surrealem ist sehr gelungen und hat mir persönlich gut gefallen. Beeindruckend sind auch die Fußnoten: Sie enthalten neben versteckten Botschaften so viele Details aus dem fiktiven Leben Strakas und seines fiktiven Euvres, dass man auch hier nochmal den Hut vor den Autoren ziehen muss.

Kleine Kritikpunkte waren für mich, dass beide Geschichten hier und da zu sehr auf der Stelle traten. Ich hätte mir ein wenig mehr Tempo gewünscht. Auch konnte ich nicht alle Rätsel lösen. Zum Beispiel bin ich trotz Erklärung beim Lattenzaun Chiffre gescheitert. Ich bin mir allerdings nicht sicher ob es der Übersetzung oder meiner Umsetzung geschuldet war. Auch habe ich den Sinn der hübschen drehbaren Code-Scheibe nicht verstanden. Zwar wird sie von Jen und Eric mal erwähnt, aber ich konnte sie nicht einsetzen. Letztendlich habe ich sie als Lesezeichen benutzt.

Mein größter Kritikpunkt ist ohne Spoilern zu wollen ein bisschen schwer zu erklären. Ich hätte mir auf jeden Fall einen klareren Abschluss der Geschichte gewünscht. Es ist einfach so, dass nicht alle Fäden zu ende gesponnen wurden, dass es für viele Andeutungen und Rätsel für den Leser einfach keine Lösung gab. Beziehungsweise keine, die mir die Autoren verraten wollten. Natürlich passt es zur Illusion, dass auf den Buchseiten nicht alles aufgeklärt wird, mir hätte an der Stelle aber ein wenig mehr Pragmatismus sehr geholfen. Schön, dass Jen und Eric hinter das Geheimnis gekommen zu sein scheinen, aber ich hätte auch gerne mehr erfahren! Das fand ich am Ende recht ärgerlich. Vor allem, da mir immer noch nicht klar ist, ob dieses offene Ende Zufall oder Taktik ist.

Letztendlich finde ich das Buch an sich immer noch sehr beeindruckend. Ich habe auch noch Lust die Geschichte mal ohne Kommentare zu lesen. Oder die Kommentare ohne Geschichte. Aber vom Ende habe ich mir mehr erhofft.

Kommentare

Naibenak kommentierte am 03. Dezember 2015 um 09:01

Schöne Eindrücke zu diesem so besonderen Buch, liebe Sarah :-) Danke dafür!!! Ich empfinde auch allein die Aufmachung schon als Highlight (habe mal im Buchladen durchgeblättert^^) ♥