Rezension

Charmanter und humorvoller Schreibstil trifft auf Wiener Schmäh

Ein Jahr in Wien - Tonja Pölitz

Ein Jahr in Wien
von Tonja Pölitz

Meine Meinung

Tja, Wien, Österreich, da würde ich nicht so schnell hinfahren, da mir die meisten Österreicher bislang einfach nicht sympathisch waren (natürlich gibt es Ausnahmen). Die meisten Österreicher empfinde ich als arrogant, sie meinen etwas Besseres zu sein und sammeln Titel, mit denen sie sich profilieren können (meine Erfahrungen!). Gerade die Wiener habe ich als besonders “schlimm” empfunden, man könnte meinen sie seien der Nabel der Welt. Und dieser Dialekt! Nein, eigentlich ist das kein Dialekt, das ist eine ganz andere Sprache wie ich jetzt feststellen musste, da gibt es ja riesige Unterschieden zum Deutschen. Ich wusste gar nicht, dass wir so viele unterschiedliche Wörter haben. Auf jeden Fall habe ich gehofft, dass Tonja Pölitz mich davon überzeugen kann, dass die Ösis (Österreicher) doch nicht so schlimm sind und ich Piefke (so nennen sie uns Deutsche) bislang einfach nur die falschen Leute getroffen habe.

Das erste was mir bei diesem Buch auffiel, war der leichte, charmante und lustige Schreibstil der Autorin, der mir richtig gut gefallen hat. Da könnten sich manche Autoren, die das hauptberuflich machen, mal eine Scheibe von abschneiden.
Sie erzählt einiges von ihrer Zeit in Wien, welche Menschen sie kennengelernt hat, berichtet über Kaffeehäuser (ich hätte mal zählen sollen wie viele Kaffeehäuer erwähnt werden) und man bekommt einen ganz kleinen Einblick in ihr Berufsleben. Was mir aber total gefehlt hat, waren Infos zur Stadt. Ja, man erfährt, dass sie in Bezirke aufgeteilt ist und das diese Nummern zu den Postleitzahlen passen, aber sonst? Reiseführer? Nein! Muss natürlich bei diesen Büchern auch nicht sein, aber ich erhoffe mir immer eine ganz eigene Sicht von der Stadt zu bekommen, genauso wie einige Geheimtipps z.B. bezüglich Restaurants. Gerade wenn man nicht als Tourist in der Stadt ist und mit den Einheimischen ganz normal zusammenlebt, nimmt man die Stadt ganz anders war und das hat mir leider gefehlt. Im Vordergrund stehen eher die Wiener und die Beziehung zwischen Deutschland und Österreich, was auch ganz interessant war, denn natürlich wurden die typischen Vorurteile angesprochen. Übrigens finde ich es ziemlich gemein, dass die Ösis bei einem Fußballspiel nie für Deutschland sind, Hauptsache die andere Mannschaft gewinnt. Tja, die WM haben wir dann trotzdem gewonnen, liebe Ösis. Aber ich kann es ja verstehen, jeder hat schließlich Mannschaften, denen er den Sieg nicht gönnt (Bayern München zum Beispiel…) [;-)]

Wenn die Österreicher mit ihrem Schmäh sprechen, dann stand das auch wirklich so da. Das Problem war, dass wenn ich direkt nach dem Lesen mit jemandem gesprochen habe, dass ich mich zusammenreiße und nicht auch ins Schmäh verfalle. Eigentlich ist das ja so ein Dialekt, den ich (neben Sächsisch) überhaupt nicht leiden kann. Das klingt für mich einfach nicht schön. Jetzt gefällt es mir und ich hätte die Passagen am liebsten laut mitgelesen, was aber nicht immer möglich war. Was hätten denn die Kollegen in der Mittagspause gesagt? Trotzdem gab es eine Szene bei der ich laut lachen musste und das schaffen bei mir wirklich nur ganz wenige Bücher! Was dem Buch an Infos über Wien fehlt, dass macht es mit dem Schreibstil und dem Humor wieder wett.

Sind die Ösis jetzt immer noch so schlimm? Nein!
Ich habe sie ganz neu kennengelernt und würde jetzt gerne mal Wien besuchen.

Fazit

Charmanter und humorvoller Schreibstil trifft auf Wiener Schmäh. Tonja Pölitz bringt einem die Wiener und ihre Eigenheiten näher – Unterhaltung pur, Reiseführer eher weniger.