Rezension

China,Kinderwunsch und Froschgesang

Frösche - Mo Yan

Frösche
von Mo Yan

Bewertet mit 5 Sternen

„Lieber Yoshito Sugitani san, wissen Sie, bei uns ist es Brauch, den Kindern Namen von Körperteilen zu geben. Zum Beispiel Chen Nase, Wu Dickdarm, Sun Schulter… Wie sich dieser Brauch entwickelte, weiß ich nicht. Ein Grund ist wahrscheinlich, dass man glaubte, ein Kind mit schlichtem Namen sei besser vor bösen Geistern und schlechtem Karma geschützt.“

Wan Fuß ist Schriftsteller. Er schreibt Theaterstücke und nennt sich dann Kaulquappe. Für seinen lieben Kollegen Sugitani san schreibt er hier die Geschichte seiner berühmten Tante Gugu nieder, damit ihr Lebenswerk in einem Buch gewürdigt werden kann.
Tante Gugu war Frauenärztin und hat in Gaomi, dem Heimatdorf von Wan Fuß, fast jedem auf die Welt geholfen. Ende der 30er Jahre geboren, hat sie Chinas Kulturrevolution miterlebt und gelernt, dass es günstiger ist, linientreue Kommunistin zu sein.
Im Plauderton erzählt Wan Fuß von den unterschiedlichsten Bewohnern seines Dorfes, von Kuriosem aber auch Schrecklichem. Die Ein-Kind-Politik fordert überall Opfer und Gugu ist in vorderster Front dabei, wenn Männer zwangssterilisiert werden, Frauen zur Abtreibung gezwungen oder wenn flüchtige Schwangere verfolgt werden müssen. 
Später wandelt sich der Bericht zu Wan Fuß´ Lebensbeichte, hat er doch seine erste Frau zur Abtreibung gezwungen und bereut jetzt bitter.

Geradezu genial wird hier ein Stückchen chinesische Geschichte präsentiert. Unterhaltsam und humorvoll schlittert man in Tragödien hinein, deren roter Faden, Tante Gugu, mal Retterin, mal Rächerin oder auch nur Werkzeug des Regimes ist. 
Die Frösche quaken durch das Geschehen und lassen viel Interpretationsspielraum. Da nennt sich beispielsweise ein Schreiber „Kaulquappe“ und Xiao Unterlippe betreibt eine Froschfarm, die verdeckt Leihmütter vermittelt. 

Dies ist mein erstes, aber bestimmt nicht mein letztes Buch von Mo Yan, der als erster Chinese 2012 den Literaturnobelpreis erhielt. Großartig, wie leichtfüßig er sich hier einem wirklich schwierigen Thema nähert. Dieses Buch unterhält, trifft und beeindruckt.

Großer Respekt gebührt auch dem Sprecher des Hörbuchs. Gert Heidenreich liest das Buch im netten Märchenerzählerstil, was die zarte Ironie des Textes wunderbar unterstreicht. Die vielen schwierigen chinesischen Namen präsentiert er souverän.
Das Hörbuch ist als gekürzt gekennzeichnet. Ich konnte es mit dem Print vergleichen und denke, es fehlt eigentlich nur das letzte Kapitel, in dem Kaulquappe die Geschehnisse als Theaterstück niederschreibt. Das rundet das Buch ab, ist noch ein I-Tüpfelchen, aber man kann auch gut darauf verzichten. 
 

Kommentare

LySch kommentierte am 31. Oktober 2017 um 19:35

Gefällt mir sehr, deine Rezi! :) Und zeigt mir persönlich einmal einen bemerkenswerten chinesischen Autor... hab mich bisher kaum mit China beschäftigt. Aber dieses Buch würde mir auch Freude bereiten, glaube ich.