Rezension

Cinderella auf Reisen

Die Reise der Amy Snow - Tracy Rees

Die Reise der Amy Snow
von Tracy Rees

Bewertet mit 3 Sternen

Die Idee ist hübsch. Ein Findelkind im Herrenhaus, gefunden im Schnee von dem Töchterlein des Hauses. Aurelia nennt das Baby nach ihrer Lieblingspuppe Amy, Amy Snow. Allerdings ist Aurelia die einzige in ihrer Familie, die sich über Amys Anwesenheit freut. 

So wächst Amy in der Küche von Hatville Court auf und führt ein seltsames Schattendasein. Das ist tragisch, interessant und hat auch märchenhafte Aspekte. Cinderella im alten England, Aurelia als gute Fee, die ab und zu ein wenig Licht in Amys Leben bringt, die von der „bösen Stiefmutter“ geknechtet wird. 

An dieser Stelle wundert man sich ein klein wenig. Lady Vennaway, Aurelias Mutter, ist wirklich böse, eigentlich zu fies um wahr zu sein. Später erfährt man, sie hatte Gründe dafür, aber die kann man durchaus etwas gesucht finden.

Nach Aurelias frühem Tod steht Amy ohne Beschützerin da. Aber Aurelia hat vorgesorgt. Briefe schicken Amy von Ort zu Ort, um ein Geheimnis zu ergründen. Auch das ist spannend und geheimnisvoll. Cinderella geht auf Reisen, alleine und unbedarft und findet dabei zu sich selbst, einen Platz in der Welt und eine große Liebe. 

So weit ist das Märchen sehr schön und lässt keine Wünsche offen. Cinderella geht sogar zum Ball, nahezu inkognito, in traumhafter Abendrobe. Anstrengend wird es, wenn Amy die Liebe entdeckt. Eine Meinungsverschiedenheit mit dem Prinzen führt zu unendlicher Seelenqual, die das letzte Drittel des Buches komplett beherrscht und die so ausgewalzt wird, dass es nur noch langweilt. Am Ende hat mich das große Geheimnis kaum noch interessiert. Ich war eher froh, dass es vorbei ist.

„Die Reise der Amy Snow“ ist ein Herrenhaus Roman, der sehr hübsch anfängt, zum Ende hin aber zunehmend trieft vor Herzschmerz. Das scheinen ihm viele Leserinnen zu verzeihen, ich tue mich damit schwer. Auch vermisst man hier jedwede historischen Details, die dieses Märchen zu einem historischen Roman hätten machen können. Es ist schon fast lächerlich, wie Amy immer wieder mit ihren „breitkrempigen Hauben“ hantiert, die 1850 nun mal „Schuten“ genannt werden, was der Autorin wohl nicht klar ist. Immerhin scheint sie sich zeitgenössische Bilder angesehen zu haben. 
Die Sprache ist wirklich simpel mit einer auffälligen Vorliebe für ornithologische Vergleiche. Amy ist Aurelias „kleiner Vogel“… , wie nett.

Wie bewertet man sowas? Als reine Schmonzette gesehen könnte man diesem Buch schon vier Sterne zugestehen, als historischem Roman höchstens einen. Ich vergebe drei Sterne für ein nettes Buch mit hübscher Idee, das man durchaus lesen kann, man verpasst aber auch nichts, wenn man es lässt.