Rezension

Cinderella meets Science-Fiction.

Cinder - Marissa Meyer

The Lunar Chronicles 01: Cinder
von Marissa Meyer

Ich weiß nicht mehr genau warum, aber eine Zeit lang war ich der Überzeugung, Cinder sei ein Cowboy-Cyborg Roman. Völliger Blödsinn, wie sich herausgestellt hat, aber damals Grund genug, um einen weiten Bogen um das Buch zu machen. Irgendwann habe ich mich dann dazu entschlossen, den Klappentext doch noch mal genau zu lesen und von da an war mir klar, ich muss das Buch haben. Cyborgs kommen wirklich darin vor, aber einen Cowboy hat dieses Buch garantiert noch nie gesehen. 

Ziemlich schnell habe ich gemerkt, dass Cinder eine moderne Interpretation des Märchens Cinderella ist. Begonnen mit dem Namen der Protagonistin, über den verlorenen Schuh und den Kürbis als Fortbewegungsmittel - viele kleine Details wurden "ummodelliert", in Cinder eingebaut und machen das Märchen somit unverkennbar. Allerdings ist der Rest der Geschichte alles andere als Märchenhaft. Dystopische Zustände herrschen in New Beijing und eine tödliche Plage versetzt alle in Angst und Schrecken. Es kann jeden unerwartet treffen und dann geht alles ganz schnell. Tod innerhalb von nur wenigen Tagen. 

Diese Plage ist es auch, die Cinders Leben eine unerwartete Wendung bringt. Inwiefern kann ich leider nicht verraten, aber es ist überaus interessant. Unabhängig davon lernt Cinder Prinz Kai kennen, der sich als ein überaus intelligenter und charmanter Kerl entpuppt. Hello, Prince Charming. Aber Cinder wäre nicht Cinder, würde sie sofort auf alle seine Wünsche eingehen und das naive Mädchen spielen. Ganz im Gegenteil. Kai beißt sich seine Zähne an Cinder aus und kann gar nicht verstehen wieso. Sein Durchhaltevermögen in allen Ehren! Cinder erinnert mich ein bisschen an Sydney aus Bloodlines aufgrund ihrer Liebe zu Autos und ihres Dickschädels, und auch ein wenig an Aschenbrödel aus Drei Haselnüsse für Aschenbrödel wegen ihrer Keckheit dem Prinzen gegenüber. Ich mag sie total! Sie ist sarkastisch und intelligent und und und... Auch ihren Androiden Iko (natürlich ein Mädchenname!) mag ich sehr gerne. Ein defekter Chip sorgt bei ihr für eine außerordentlich witzige und wiedererkennbare Persönlichkeit, die mehr mädchenhafte Macken an den Tag legt als die von Cinder.

Nun aber noch mal zu Prince Charming, alias Kai. Da das Buch in der "Sie/Er Perspektive geschrieben ist, gibt es auch einige Szenen, in denen das Geschehen aus seiner Sicht geschildert ist. So erfährt man etwas über seine Gefühle und seine Lebensumstände, die dafür, dass er ein Prinz ist, nicht immer grandios sind. Für sein Alter muss er eine unglaublich große Verantwortung übernehmen und dass er sich trotz allem seine Lebensfreude bewahrt hat ist tröstlich. Er und Cinder sind auf einem Niveau, was den Sarkasmus angeht und das sorgt immer wieder für lustige Gespräche. Die beiden wären ein süßes Paar, gäbe es da nicht diese vielen Probleme... Der Herzschmerz ist quasi vorprogrammiert.

Cinder ist ein Cyborg und damit "unterste Schublade" in der Gesellschaft. Klar, dass Kai das nicht erfahren soll. Dann ist da aber noch ihre böse Stiefmutter die einfach alles mies macht und zum Lachen wahrscheinlich in den Keller geht. Und zu guter Letzt sind da noch die Lunar...
Zugegeben, das Leben auf dem Mond hätte man sich sparen und auf einen anderen Kontinent umlegen können, aber gut. Die Lunar sind jedenfalls Nachkommen von Menschen, die auf den Mond umgesiedelt sind und bestimmte Fähigkeiten haben können. Gedankenkontrolle und Manipulation sind zwei davon. Ein ganz "besonderes" Exemplar hat es auf die Erde abgesehen und bringt Kai in Bedrängnis. Jedes Mal, wenn die Sprache auf sie kam, haben sich bei mir die Nackenhaare hochgestellt und bei allem was sie gesagt hat hätte ich ihr am liebsten eins übergebraten. (Das ging mir bei der Stiefmutter auch so... vielleicht wurden die beiden bei der Geburt getrennt?) 

Von der Liebesgeschichte her war Cinder also schon mal ein Volltreffer bei mir. Bei der restlichen Handlung auch, allerdings muss ich sagen, dass es an einigen Stellen echt vorhersehbar war. Größtes Ziel aller am Palast (und auch sonst überall) ist es, der Königin der Lunar das Handwerk zu legen und dazu braucht man... nun ja, etwas  ganz bestimmtes. Bereits nach der ersten Erwähnung davon war mir klar, wie der Hase läuft, aber dennoch war von abfallender Spannung nichts zu merken. Im Gegenteil. Ich habe gelesen und gelesen und gelesen und wollte gar nicht mehr aufhören. Ein Rätsel hier, eine Gefahr da und ich war glücklich. Zwischendrin noch ein paar unterhaltsame Flirtversuche des Prinzen und tadaa, Lisa schwebt im siebten Himmel. Als Cinder dann am Ende noch einen Filmreifen Auftritt liefert, hätte ich am liebsten Fähnchen geschwungen und gejubelt. Das klingt jetzt vielleicht sarkastisch, aber so ist es wirklich nicht gemeint. Ich hatte einfach unglaublich viel Spaß beim Lesen! Vorhersehbarkeit (und ein paar kleine Fehler) Hin oder Her, ich fand es klasse!

FAZIT
Cinder ist eine gelungene Neuinterpretation von Cinderella, in der Science-Fiction- und Lovestory-Fans gleichermaßen auf ihre Kosten kommen. Ich finde Cinder herrlich und in Verbindung mit Kai kann man sich auf viele Lacher, aber auch auf Herzschmerz gefasst machen. Den Knackpunkt der Geschichte enthüllt man ziemlich schnell, aber das hat zumindest bei mir der Lesefreude keinen Abbruch getan. Im Gegenteil. Ich freue mich auf die Folgebände, in denen wir Cinder wiedersehen, in denen die Protagonistinnen allerdings andere sein werden...