Rezension

Clever, liebenswert, lesenswert und sehr unterhaltsam!

Verliebt in Michigan -

Verliebt in Michigan
von Caitlyn Young

Bewertet mit 5 Sternen

Eine ungewöhnliche Liebesgeschichte mit einer ebenso ungewöhnlichen Dreiecksbeziehung. Für alle, die schon in den USA waren, als schöne Erinnerung an die vielen kleinen Unterschiede. Für alle, die in die USA reisen wollen, als Vorbereitung auf den "Kulturschock." Locker-leicht erzählt, humorvoll und aufmerksam beobachtet - aber immer mit Tiefgang. Absolut lesenswert und viel mehr als "nur" ein Liebesroman.

Ein ebenso unterhaltsamer wie scharfsinniger Liebesroman, der wichtige Fragen stellt – und zum Glück nicht beantwortet

Inhalt

Alexander ist vor der einengenden Fürsorge seiner verwitweten Mutter regelrecht in die USA geflüchtet, als sich ihm dort ein Karrieresprungbrett anbietet. In Deutschland lässt er nicht viel zurück; von seiner Freundin hat er sich ohne große Trauer getrennt; seine Gewohnheiten hat er – eher unbewusst – mit in die USA genommen.

Dort wird ihm in seinem neuen Job schnell klar, dass seine Sekretärin ihn mehr als nur ein bisschen interessant findet: Sam flirtet. Xander weicht aus, tut beharrlich so, als merke er davon nichts.

Das geht eine ganze Weile so, bis sich Sams beste Freundin Pat einmischt. Allerdings führt ihre Intervention als Kupplerin zu dem für Sam absolut unerwünschten Ergebnis, dass die sehr attraktive und in Bezug auf Männer recht entschlossen vorgehende Pat sich plötzlich selbst für Xander zu interessieren beginnt.

Sam ist frustriert. Sie empfindet ihr Leben mit einem hyperaktiven Kind, das ausgerechnet in Pats Klasse geht, als permanente Überforderung. Außerdem ist da noch viel mehr, was sie belastet. Die unerwiderte Liebe zu Xander. Die Tatsache, dass ihre Mutter eine neue Beziehung eingeht und nicht mehr als Babysitterin zur Verfügung steht. Ihre mehr als bescheidenen Wohnverhältnisse. Geldmangel. Gelegentliche Dates, die trotz Sams extrem geringer Erwartungen doch noch in der Lage sind, sie zu enttäuschen. All das wird Sam zu viel. Oder ist es zu wenig? Jedenfalls befindet sie sich an einem Tiefpunkt ihres Lebens.

Schließlich kündigt Sam ihre Stellung, um wenigstens nicht mehr täglich mit Xander konfrontiert zu werden. Ihre Freundschaft zu Pat zerbricht, nachdem die ihr einen erpresserischen Deal angeboten hat: Pat verspricht, dass sie bezahlbare Therapiestunden für Sams hyperaktive Tochter Ella organisiert, verlangt dafür aber, dass Sam Xander aufgibt.

Der ahnt nichts von diesem extrem fragwürdigen "Geschäft." Aber, auch ohne dass er darüber Bescheid weiß, fällt ihm nach und nach auf, dass die Beziehung zu der attraktiven Lehrerin ihm nicht das gibt, was er immer gesucht hat…

Eine Dreiecksgeschichte? Ja und nein – jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne. Einfach lesen und selbst herausfinden, worum es geht: Es lohnt sich!

Wie das Werk auf mich wirkt

Der Name dieses Romans "Verliebt in Michigan" ist Programm: Es bedeutet durchaus etwas, in welcher Umgebung sich jemand verliebt. Das kulturelle Umfeld verändert einen Flirt und wirkt sich auch auf eine Beziehung aus. Ziemlich stark sogar. Die Autorin arbeitet das in ihrem Roman sehr gut heraus!

 

Ich habe beim Lesen dieses Liebesromans das ein oder andere Déjà-vu erlebt. Ich bin schon oft nach Florida gereist, kenne mich also durchaus mit den kulturellen Gegebenheiten im Umgang und in der Lebensform aus, worin sich Europäer von US-Amerikanern unterscheiden.

Jedes Mal, wenn ich aus Florida zurückkehre und mir bei Aldi andere Kunden wieder einmal den Einkaufswagen förmlich ins Hinterteil rammen, weil sie irrigerweise glauben, so schneller an ihr Ziel zu kommen, reagiere ich extrem gereizt: In den USA ist ein derartiges Verhalten undenkbar! Da hält man freundlich und höflich Abstand. Öffnet eine neue Kasse, beweisen nicht sämtliche Kunden rundum ihre Sprinterqualitäten, indem sie mit Tunnelblick, und ohne einen anderen Menschen zu beachten, nach vorn stürzen. In den USA ist es so, dass eisern die Reihenfolge eingehalten wird, in der die Kunden an einer Kasse aufgetaucht sind, egal an welcher. Diszipliniert geht es nach vorn, öffnet eine weitere Kasse. Man erkundigt sich höflich rechts und links, wer denn nun zuerst abkassiert werden darf. Mir fehlt diese zuvorkommende Höflichkeit sehr, wenn ich aus den USA heimkehre in unsere buchstäbliche Ellenbogengesellschaft.

 

In sehr gekonnter Weise präsentiert Caitlyn Young in ihrem Roman, wie es einem Deutschen ergehen kann, der mit all seinen typisch deutschen Ecken und Kanten in Michigan Fuß fassen will: Xander (Ja, beim Umzug hat sich sogar sein Name verändert!) staunt Bauklötze, wenn er sich an einem Sonntag einfach im Vorbeifahren in einem Supermarkt ohne Termin eine Grippeimpfung abholen kann, um nur ein Beispiel zu nennen.

Ich habe mich köstlich amüsiert angesichts der vielen Aspekte, für die die Autorin (genau auf den Punkt gebracht) darstellt, inwiefern sich die USA von Deutschland unterscheiden - in Bezug auf das Klima beim Autofahren, die Gestaltung von Parkplätzen, die Einnahme von Medikamenten, den Kauf des Lunchs usw. Das ist witzig, hat auf mich ausgesprochen unterhaltsam gewirkt und viele (positive) Erinnerungen an frühere Reisen geweckt; gleichzeitig habe ich bewundert, wie viele Details sehr gut beobachtet geschildert wurden. Respekt!

Oberflächlich oder nicht?

Im zwischenmenschlichen Bereich sind die Umgangsformen im Vergleich zwischen den USA und Deutschland ebenso verschieden wie die Präferenzen bei der Wahl eines angenehmen Raumduftes: Was in Amerika duftet, stinkt hier – und umgekehrt. Es gibt also durchaus kulturell bedingte Missverständnisse und Schwierigkeiten im Umgang miteinander, auch wenn ich der Überzeugung bin, dass grundsätzlich alle Menschen einander ziemlich ähnlich sind.

Die meisterhafte Art, in der ein Amerikaner „Excuse me!“ sagen und dabei alles von „Entschuldigen Sie bitte!“ bis hin zu „Benimm dich, du dämlicher Arsch, sonst gibt es was auf die Nuss!“ meinen bzw. im Tonfall ausdrücken kann, ist erstaunlich. Da trifft der Ami spielend leicht tausend verschiedene Zwischentöne, wohingegen in Deutschland nur jemand nach ein paar Jahren Schauspielunterricht dazu in der Lage wäre. Ich bin der festen Überzeugung, dass Menschen mit einem derart feinen Gespür für solche Nuancen gar nicht oberflächlich sein können.

Der Mangel an "Tiefgang", den man US-Amerikanern gerne und oft vorwirft, wird in diesem Roman hinterfragt. In diesem Zusammenhang beschäftigt sich das Werk in Bezug auf die Hauptfiguren Sam, Pat und Xander immer wieder mit der Frage, was in und an ihren Persönlichkeiten lediglich Oberfläche sein mag und was sich darunter verbergen könnte - wie viel Mut dazu gehört, sich zu öffnen, um sich einer anderen Person zu offenbaren - wie verletzend es sein kann, wenn Vertrauen missbraucht wird - wie rundum positiv es wirkt, wenn man sein Vertrauen auf die eine Person setzt, die das auch verdient - wie leicht ein Mensch sich selbst belügt, wenn es darum geht, sich mit seinen eigenen "Abgründen" oder einem seichten Dasein auseinanderzusetzen.

 

Kann man mit jemandem befreundet sein, der sich als Erpresser erweist? Wann ist eine Freundschaft wertvoll, wann ein Mensch ..?

Mit vielen ebenso wichtigen wie grundsätzlichen Fragen spielt Caitlyn Young geschickt. Sie vermeidet im Verlauf ihrer Geschichte bevormundende Bewertungen, überlässt mir als Leserin am Ende zahlreiche Entscheidungen darüber, welches Verhalten ich akzeptabel finde und welches nicht. Das finde ich sympathisch, denn das gibt meiner Fantasie eine Menge Spielraum. Viele Bücher gewähren genau diese Art von Freiheit nicht, sondern kommen irgendwann zu einem Schluss, den man als Leser fix und fertig und als nicht mehr beeinflussbares Gesamtpaket serviert bekommt.

 

Ob es in diesem Werk der Autorin ein Happy End gibt?

Das verrate ich natürlich nicht! Ich sage nur so viel: Ich persönlich war mit dem Ausgang dieses Romans ausgesprochen zufrieden.

Fazit

Ein toller Kulturtrip mit viel Scharfsinn und Humor - lesenswert und liebenswert!

Daher gerne ✪✪✪✪✪.