Rezension

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Coming of Age in Australia

Ich weiß, heute Nacht werde ich träumen - Steven Herrick

Ich weiß, heute Nacht werde ich träumen
von Steven Herrick

Bewertet mit 4.5 Sternen

"An jedem ersten Sonntag im Monat ziehen Dad, Keith und ich saubere Sachen an und wir Jungs tragen zum ersten Mal in der Woche Schuhe." So zurechtgemacht geht es auf den Friedhof: Hier liegt die Mutter von Harry. Alle drei vermissen sie und trauern, aber sie gehen ihr Leben aktiv an: Der Vater arbeitet den ganzen Tag in einer Eisenhütte, aber wenn er nach Hause kommt, teilt er mit seinen Söhnen eine Wassermelone. Harry und Keith werden früh selbstständig, sie kochen und halten das Haus sauber, aber dennoch wird im Städtchen über sie hergezogen: Die Haare sind nicht akkurat geschnitten, das Holzhaus wird mit Öl gestrichen anstatt mit Farbe, und überhaupt kann das ja nicht gutgehen, wenn ein Mann alleine Kinder erzieht... Harry erlebt viel Schlimmes: Den Tod seiner Mutter, eine Schulfreundin ertrinkt, ein aus der Ferne angebetetes Mädchen wird von einem jugendlichen Tunichtgut geschwängert und verlässt das Städtchen in Schimpf und Schande. Manchmal möchte er nur weg von hier. Aber es gibt auch Gutes: Sein Vater hält bedingungslos zu ihnen, er findet an unerwarteter Stelle einen Freund, und schließlich zeigt ein neu hinzugezogenes Mädchen ihm die Schönheit seiner Stadt. "Es ist gut, noch mal von vorn anzufangen, findest du nicht, Harry?" Und so springt Harry mit Anlauf in den Fluss und lässt los. Das Buch endet friedlich mit dem gemeinsamen Melonenessen.

Steven Herrick beschreibt eine Jugend in den Sechziger-Jahren in einer australischen Kleinstadt. Auch wenn heute manches anders sein mag, sind die grundlegenden Themen doch immer noch aktuell: Familie, Freundschaft, Liebe, Verlust und Trauer, Sehnsucht und Hoffnung. Der Stil des Buches ist ungewöhnlich: Viele kurze Gedichte reihen sich aneinander, in Kapitel geordnet; zusammen ergeben sie ein rundes Bild von Harrys Leben. Die Botschaft des Buches ist positiv: Auch wenn es viel Schweres im Leben gibt, ist es doch schön! Mein Lieblingscharakter ist der Vater, der seinen Söhnen viel Freiheit gibt, dabei großes Verständnis für sie hat und bedingungslos zu ihnen hält - er prügelt sich sogar im Pub, als jemand schlecht über die beiden spricht. Unaufdringlich zeigt er, dass jeder Mensch gute Seiten hat und dass auch Außenseiter wertgeschätzt werden sollten, ob es die mürrische Nachbarin ist, der Alkoholiker, den er unter Lebensgefahr aus dem Feuer rettet, oder der Aussteiger, der im Wald haust. 

Das Buch steht auf der Nominierungsliste zum Deutschen Jugendliteraturpreis in der Sparte Jugendbuch. 

Kommentare

FIRIEL kommentierte am 23. Oktober 2019 um 06:32

Und sieh mal an, es hat den Preis gewonnen!