Rezension

Cosy-Krimi mit den Brontë-Schwestern

Die verschwundene Braut - Bella Ellis

Die verschwundene Braut
von Bella Ellis

Cosy-Krimi mit den Brontë-Schwestern

Fiktion, die reale Personen der Geschichte zum Gegenstand hat, finde ich immer besonders spannend. Es ist schließlich eine Möglichkeit, diese Personen aus dem Staub der Geschichtsbücher herauszuheben und sie als Menschen kennenzulernen - zumindest wie sie gewesen sein könnten.

Die Autorin Bella Ellis hat sich nun erzählerisch an drei Schwergewichte der Literaturgeschichte herangewagt, nämlich die Brontë-Schwestern. Das Leben von Anne, Charlotte und Emily ist von jeher der Stoff für Legendenbildung. Über ihr zurückgezogenes, kurzes Leben in Yorkshire ist nicht allzu viel bekannt, ihre Romane legen aber Zeugnis ab von einem außergewöhnlichen Schreibtalent. Diese Lücke will Bella Ellis mit dem vorliegenden Roman schließen, indem sie die Schwestern als Menschen aus Fleisch und Blut, mit Sorgen, Nöten und Gefühlen, erzählerisch einzufangen versucht.

So entspinnt sich um die zentralen Figuren Anne, Charlotte, Emily, aus deren Perspektive abwechselnd erzählt wird, sowie den einzigen Bruder Branwell, eine Krimihandlung. Die für ihre Zeit der 1850er Jahre in England dank der Förderung ihres Vaters ungewöhnlich gebildeten Frauen nehmen in Bella Ellis' Fiktion eine weitere Rolle ein: die der Ermittlerinnen. In England sorgten um diese Zeit die fortschrittlichen kriminalistischen Ermittlungsmethoden der 1829 gegründeten Kriminalpolizei Scotland Yard für Furore. Deren Ruf gelangt im Buch über die Presse auch bis zu den Brontë-Geschwistern nach West Yorkshire. 

Die Nachricht von einer vermeintlich Toten bzw. verschwundenen Frau erreicht die Brontë-Schwestern allerdings über den Pubklatsch, den Bruder Branwell nach Hause trägt. In einem Herrenhaus in der Gegend namens Chester Grange ist die junge Hausherrin Elizabeth Chester über Nacht verschwunden. Zurückgeblieben ist nur eine überdimensionale Blutlache in ihrer Kammer. Zum Glück kennen Emily und Charlotte Mattie, die Gouvernante des Hauses, von ihrer gemeinsamen Zeit in einem ungeliebten Internat. Sie ist der fleischgewordene Schlüssel zu einem Anwesen, in dem nichts mit rechten Dingen zuzugehen scheint...

Alte Herrenhäuser sind natürlich immer ein Garant für Geheimnisse, Verstecke und unterschwelligen Grusel. Das Herrenhaus ist auch in diesem Buch der geheimnisvolle "Tatort" und der Leser darf zusammen mit den Brontë-Geschwistern rätseln, was es mit dem alten Gebäude und seinen Bewohnern auf sich hat. Dass die Geschichte, wie sie sich hier abspielt, Charlotte Brontë als Inspiration zu ihrem weltberühmten Roman "Jane Eyre" dient, liegt auf der Hand.

Auch die restlichen Handlungsorte verbreiten viel Schauerroman-Ambiente und schwarzromantisches Flair. Manche Stellen und Szenen lesen sich wirklich so, als wären sie einem Brontë-Roman entsprungen. 

Die Charaktere der drei Schwestern werden anschaulich wiedergegeben: Die besonnene, intelligente und selbstbewusste Charlotte, die exzentrische und impulsive Emily und die empathische, hilfsbereite Anne. Bruder Branwell ist der unstete Lebemann, der trotz eigenem Schreibtalent dem seiner Schwestern etwas hilflos gegenübersteht.

Das Buch hat einen schönen Spannungsaufbau, wobei es im Mittelteil ganz leicht schwächelt. Ansonsten ist es ein atmosphärisch dichter und auch durchaus spannender cosy Krimi mit überraschendem Ausgang, der mich ausnehmend gut unterhalten hat. Ich freue mich sehr auf einen zweiten Band!