Rezension

Da blieb mir der Mund offen stehen

Das Seehospital - Helga Glaesener

Das Seehospital
von Helga Glaesener

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ich glaube, die Bezeichnung "Roman" ist hier fehl am Platz, dieses Buch ist Krimi, Horror, Thriller, sprich: Familien-Drama pur! Vom allerfeinsten!

Wer sich denkt, dieses Buch spiele nur auf Amrum und das Geschehen im Seehospital stände im Mittelpunkt, der wird sich irren.

Frida, die älteste von vier Geschwistern, ist nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester in Hamburg geblieben und studiert 1920 als eine der ersten Frauen Medizin. Dies allerdings gegen den Willen der Familie und ihres gönnerhaften Großvaters, der nach dem Tod seines Sohnes, der Arzt gewesen ist, ein Seehospital als Andenken an diesen hat bauen lassen. Während Frida in Irrungen und Wirrungen steckt und das Angebot erhält als Krankenschwester mit nach Afrika gehen zu dürfen, erreicht sie die Nachricht vom Tod ihres Großvaters. Sie muss zurück nach Amrum!

Dort ist die Verzweiflung ausgebrochen! Die Eltern stecken in finanziellen Nöten und das neue Testament des Großvaters, in dem er die Enkelinnen bedacht, ist verschwunden. Der Großvater war reich! Nicht, wie sie erfahren, als sie das neue Testament endlich gefunden haben. Nun soll das Seehospital geschlossen werden, Frida soll das Studium abbrechen und die Töchter sollen zwangsverheiratet werden. Wohin das führt, lässt einem den Mund offen stehen. Was wie ein lieblicher Roman aussah, führt eine Schrecklichkeit nach der anderen auf. Man sieht, wozu eine eiskalte Liebe zu seinen Kindern führen kann. Jeder hat sein Päckchen zu tragen und sucht verzweifelt nach einem Ausweg. Alles hätte so gut werden können, aber Träume zerplatzen nun mal, gewollt, ungewollt.... Schließlich landen wir auf St. Pauli. wo wir das wilde Nachtleben der 1920er kennen lernen. Und erst zum Schluss gibt es eine Rückkehr zur Geschichte der Heilkunst.

Dieses Buch war einfach anders, als ich dachte. Erst liest es sich schön harmonisch, beginnende Liebeleien, mutige junge Frauen mit mutigen Visionen, der Tod des geliebten Großvaters, die Rettungsversuche des Seehospitals für kranke Waisenkinder aus Hamburg, aber dann passieren Ungeheuerlichkeiten, die eher zu einem Psychothriller oder Krimi passen würden. Es wird kein Blatt vor den Mund genommen, sondern alles direkt beschrieben, als sei man selbst dabei. Super spannend und erstaunlich! Und obwohl sich die Charaktere zum Teil unglücklich entwickeln, hat man sie absolut ins Herz geschlossen. Für seine Eltern kann schließlich niemand etwas.

Atmosphärisch ist dieses Buch auch ein absolutes Highlight. Die Insel Amrum wird sehr schön idyllisch und genau beschrieben. In Hamburg und auf St. Pauli ist es vor allem die Milieuschilderung. 

Sehr gutes Buch! Da wünsche ich mir einen Fortsetzungs"roman"!