Rezension

Dämonendämmerung

Das gefälschte Siegel
von Maja Ilisch

Bewertet mit 3 Sternen

Dämonen kommen in den klassischen Fantasy-Epen nicht ganz so häufig vor. Wobei man schon darüber streiten könnte, ob Sauron als der Oberbösewicht im „Herrn der Ringe“ wohl als Dämon zu bezeichnen wäre. Aber eigentlich bekriegen sich in der Regel Elben, Elfen, Zauberer, Zwerge, Menschen, Feen etc. mit fiesen Orks, Trollen, Warlocks und menschlichen Schurken. Einer will immer die Macht an sich reißen und die übrigen Bewohner des Reiches versklaven. Nach dem großen medialen Erfolg von Game of Thrones sind zudem Drachen und Wiedergänger stark in Mode, was sich in der aktuellen Fantasyliteratur ebenfalls widerspiegelt. Maja Ilischs Geschichte um das gefälschte Siegel im Reich Neraval wirkt dagegen auf den ersten Blick recht sanft. Wie spektakulär kann es schon werden, wenn ein Prinz, der nie Thronerbe sein wird, und seine Außenseitergefährten sich aufmachen, um in einem sagenumwobenen Reich von einer Ausnahmezauberin feststellen zu lassen, ob die Schriftrolle, die den Erzdämon seit tausenden von Jahren gebannt hält, auch mit einem gefälschten Siegel noch intakt sein kann?

Außer einer Kneipenschlägerei und einer gruseligen nachts im Dämonenwald Attacke verzichtet die Autorin nahezu auf größere Kampfhandlungen. Kein seitenweise sich vollziehendes Schlachtengetümmel. Was ich persönlich als sehr erholsam empfand. Stattdessen lässt sie ihre Figuren vor allem mit Worten und den eigenen inneren Dämonen kämpfen. Prinz Tymur ist ein undurchschaubarer Charakter mit einer spitzen Zunge, der seine Mitreisenden manipuliert und belügt. Geschickt lässt Ilisch seine Erzählperspektive außen vor. Die Handlung wird abwechselnd aus der Sicht vom Fälscher Kevron, dem ehemaligen steinernen Wächter Lorcan und der blutjungen Magierin Enidin erzählt. Jeder von ihnen hat eine eigene Wahrheit vom Prinzen aufgetischt bekommen, warum sie unbedingt in das Nebelreich der Alfeyn gelangen müssen. Letztlich weiß so auch der Leser nicht, welches die Wahrheit dieses Abenteuers ist und ist sich dessen immer mal wieder klar bewusst. Eine ungewohnte Leserposition, die ich als interessant und spannungsfördernd empfunden habe. Die innere Zerissenheit der Figuren wirkte auf mich glaubhaft, manchmal hätte ich mir allerdings noch ein wenig mehr Fantasy-Zauber gewünscht. Beim Lesen bin ich nicht ganz so tief in diese Welt abgetaucht, wie ich das aus anderen Büchern kenne, wahrscheinlich weil die Perspektivgestaltung mich ab und zu auch ein wenig verwirrte.

Zuweilen hätte mich ein wenig Hintergrundwissen zum Königreich Neraval und der Dämonenvergangenheit dieser Welt interessiert. Aber da es sich um eine Fantasyreihe handelt, werden sich diese Lücken sicher mit den nächsten Bänden schließen.