Rezension

Damals, als wir Freunde waren

Wenn wir wieder leben - Charlotte Roth

Wenn wir wieder leben
von Charlotte Roth

Bewertet mit 5 Sternen

In Zoppot der 1920er Jahre erlebt Gundi Frieböse eine glückliche Kindheit bei ihrem Großvater Paul Otto Peter Frieböse genannt Pop. Sie leben in Danzig, aber im Sommer verbringen sie die Wochenenden in Zoppot, dem vornehmen Ostseebad. Dort fühlt Gaudi sich als das glücklichste Kind von der Ostseeküste.

Mit siebzehn träumt sie am Strand von Zoppot mit ihren beiden Freunden Erik und Julius und ihrer Halbschwester Lore eine erfolgreiche Band zu werden. Das gelingt ihnen auch und schon bald tingeln sie nicht nur in Zoppoter Kneipen, sondern fahren mit dem Luxusliner Wilhelm Gustloff über die Meere. Es fällt ihnen nicht schwer den Band-Namen zu ändern und sich fortan die Vier aus Zoppot zu nennen, auch sind sie plötzlich keine Band mehr, sondern eine Tanzkapelle. Viel zu spät erkennt Gundi, wie extrem die Welt sich verändert hat, dass ihre polnischen und jüdischen Freunde verfolgt werden und dass der Mann, den sie liebt, im polnischen Widerstand kämpft.

Jahre später verfolgt die junge Wanda Gundis Spur um zu ergründen, was damals passiert ist.

 

Mein erster Eindruck von diesem Buch ist die pastellfarbene Weichzeichnung des Covers. Beim Lesen habe ich mich dann sofort in den Schreibstil und die Sprache verliebt. Ich empfinde die Sprache honigsüß oder nach Hagebuttentee riechend wie die Autorin sie beschreibt. Die melancholische Beschreibungen des Ostseebades oder Danzigs Straßen zeugen von einer großen Liebe und Sehnsucht nach der alten Heimat. Meine Schwiegereltern stammen aus dieser Gegend. „Noch ist Polen nicht verloren“ und „unsere alte ferne Heimat“ waren Sätze, die ich oft von ihnen hörte. Sie hätten auch ihre Freude an diesem Buch gehabt. 

Mich hat sprachlich besonders überrascht, dass Begriffe wie Kaschemme, Matka. pieschern, Schisslaweng, krakeelen, verhohnepiepeln, die ich für Umgangssprache des Ruhrgebiets und Niederrheins gehalten habe, aus Polen beziehungsweise aus Danzig stammen. Die meisten dieser Begriffe hab ich vorher noch nie geschrieben gesehen.

 

Frau Roth hat eine wunderschöne, traurige und tragische Familiengeschichte geschrieben, die Zeitgeschichte aus einer anderen Sicht beleuchtet. Dieses Mal sind es nicht die Opfer und auch nicht die Verbrecher, die den Niedergang und Untergang der Deutschen schildern. Gundi ist eine, die glücklich mit ihrem Leben und ihrer Umgebung ist, die glücklich ist, ihre Musik machen zu können. Sie bekommt die Veränderung um sie herum nicht mit. Erst sehr spät drängen sich ihr die Ereignisse auf, aber in ihrer Naivität meint sie, dass alles wieder gut wird.

 

Der Roman lässt mich nachdenklich und vielleicht auch etwas wehmütig zurück. Der letzte Abschnitt „Noch ist Polen nicht verloren“ tut da sein übriges und erinnert mich an meine Oma Sonntag aus Meiderich, die zwar nicht aus Danzig stammt, aber sicher einiges mit ihrer Oma Lita gemein hat.