Rezension

Das 20. Jahrhundert aus georgischer Sicht

Das achte Leben (Für Brilka)
von Nino Haratischwili

Bewertet mit 5 Sternen

„Das achte Leben (für Brilka)“ erzählt die Familiengeschichte der Jaschis über mehrere Generationen. Der Leser begleitet die Familie vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis ins Jahr 2007. Die Familie kommt aus Georgien, dies ist der Hauptschauplatz. Alles beginnt mit Stasia, oder eigentlich mit ihrem Vater. Er betreibt sehr erfolgreich eine Schokoladenfabrik und hat ein Geheimrezept für eine heiße Schokolade, die süchtig macht, so gut ist sie. Doch er hat das Gefühl, dass sie verflucht ist, dass jeder, der davon trinkt, dafür wird büßen müssen. Und so macht er das Rezept nicht öffentlich, es wird jedoch innerhalb der Familie weiter gereicht. Aber es braucht gar keinen Fluch, um der Familie Leid zuzufügen, denn im 20. Jahrhundert kommt die Bevölkerung in Georgien eigentlich kaum zur Ruhe vor lauter Kriegen, Unruhen, Regierungswechseln, Aufständen.

Das Schicksal der Familie ist sehr eng mit der Geschichte des Landes verwoben. Ich muss gestehen, dass ich mir vor allem am Anfang sehr schwer getan habe damit, denn in georgischer/russischer/sowjetischer Geschichte kenne ich mich nicht gut aus. Ich habe aber durchgehalten und als ich einmal drin war in der Familiengeschichte, konnte mich nichts mehr vom weiterlesen abhalten. Ich habe öfter Zusammenhänge im Internet nachgeschlagen und konnte so vielleicht noch die eine oder andere Bildungslücke schließen. Einige Personen werden im Buch nicht beim richtigen Namen genannt, was mich zuerst verwirrt hat, aber auch hier kann Google weiterhelfen.

Gerade wenige Wochen vor der Lektüre dieses Romans habe ich eine Lebensgeschichte im 20. Jahrhundert aus britischer Sicht gelesen und es war nun sehr interessant, diese beiden so unmittelbar vergleichen zu können. Dabei geht es nicht nur um die Politik, sondern auch darum, welchen Einfluss sie auf die Bevölkerung hatte, auf ihren Alltag, auf ihre Liebesbeziehungen.

Das Buch ist sehr umfangreich, 1280 Seiten. Das hat mich etwas abgeschreckt, wenn es mir nicht so nachdrücklich empfohlen worden wäre, hätte ich es wohl nicht zur Hand genommen. Man sollte das Buch dann lesen, wenn man sich wirklich darauf einlassen kann, wenn man Zeit dafür hat, dann kann es seine volle Wirkung entfalten. Und hat man all die Seiten dann geschafft, dann ist es, als hätte man sie alle persönlich gekannt, Stasia, Christine, Kostja, Kitty, Elene, Daria, Niza und natürlich Brilka, mit Ihnen gelacht und geweint. Nur schade, dass man nicht von der heißen Schokolade probieren kann. Aber das ist vielleicht besser so. Ich reihe mich also in die begeisterten Stimmen ein und empfehle dieses Buch sehr gerne weiter.

Kommentare

Naibenak kommentierte am 29. Juni 2017 um 09:32

Danke für diese wunderbare Rezi! Klingt sehr nach mir^^ Nur der Umfang...*seufz*... aber ich will es mir merken... für den richtigen Moment! :-)

TanyBee kommentierte am 05. Juli 2017 um 12:49

Dafür braucht man wirklich den richtigen Moment. Ich habe eine Nasennebenhöhlenentzündung dafür genutzt ;)