Rezension

Das Bilderbuch erschließt sich nicht gleich, verstört zunächst und strahlt seine Botschaft erst nach mehrmaligem Lesen (Vorlesen) dann umso intensiver aus

Boris und der Ruf des Wassers - Davide Calì

Boris und der Ruf des Wassers
von Davide Cali

Bewertet mit 5 Sternen

Davide Cali, Marco Soma, Boris und der Ruf des Wassers, Carl-Auer Verlag 2018, ISBN 978-3-8497-0207-6

 

Jedes Kind stellt sich, wenn es heranwächst, irgendwann einmal die Frage und setzt sich mit ihr auseinander: wer bin ich eigentlich? Wo komme ich her und wo gehöre ich hin? Und nicht selten spürt es den Zweifel: wo will ich überhaupt dazu gehören?

 

Ich kann mich aus meiner eigenen Kindheit an solche Gefühle erinnern, als mir die anderen Familienmitglieder zeitweise vorkamen wie Fremde.

 

Die von Marco Soma farbenprächtig illustrierte kleine Geschichte von Davide Cali thematisiert solche Gefühle und formuliert zwischen den Zeilen als Parabel auf das Wesen und die Bedeutung von Familie die Frage: „Wie sehr müssen uns die Menschen gleichen, die wir lieben?“

 

Boris, um den es in diesem Bilderbuch für Kinder ab sechs Jahren geht, ist ein angenommenes Kind. Früher nannte man das Findelkind. Tatsächlich finden seine Eltern, die keine eigenen Kinder bekommen können, bei einem Ausflug ins Grüne an einem Teich ein Neugeborenes, das sie Boris nennen. Dass Boris Kiemen hat wie ein Fisch, stört sie nicht.

 

Boris wächst ohne Probleme bei seinen Eltern auf. Sie lieben ihn sehr. Doch innerlich wird er immer unruhiger und fragt sich oft, ob er wirklich glücklich ist. Nach einigen Jahren indes weht ihn eines Tages ein eigenartiger Geruch an, der in ihm Sehnsucht und Traurigkeit weckt. Er folgt dem Geruch und kommt zu dem Teich.

 

Nun fühlt er sich wohl und glaubt nun seine wahre Familie gefunden zu haben. Doch nach einiger Zeit sehnt er sich wieder nach seinem anderen Zuhause. Er fühlt sich allein und sinkt in die Tiefe, ist völlig ohne Halt.

 

Da fallen ihm wieder seine Eltern ein. Sie haben ihm die ganze Zeit ihre Liebe gegeben und die Bindung zu ihm aufrechtgehalten. Sie haben ihn nicht festgehalten, sondern ihm immer vermittelt: „Wenn du dort, wo du bist, glücklich bist, dann sind wir es auch!“
 

 

Und er macht sich zurück in die Stadt.

 

Christel Rech-Simon, die am Ende des Buches unter dem Titel „Heilende Geschichten“ Hinweise für Eltern, Erzieher und Vorleser gibt, nennt das Bilderbuch „ein Buch über Integration, Selbstfindung, Identität, Heimat, Angst vor Fremden, Loslassen, Festhalten, Verlassen und Verlassenwerden und … Liebe.“

 

Das Bilderbuch erschließt sich nicht gleich, verstört zunächst und strahlt seine Botschaft erst nach mehrmaligem Lesen (Vorlesen) dann umso intensiver aus.

 

Eine Parabel über das Wesen und die Bedeutung von Familie.