Rezension

Das Buch lässt mich ratlos zurück

Der Junge, der zu viel fühlte - Lorenz Wagner

Der Junge, der zu viel fühlte
von Lorenz Wagner

Bewertet mit 3 Sternen

Als ich mit dem Thema Autismus in Berührung gekommen bin, war vieles von dem, was das Ehepaar Markram herausgefunden hat, bereits zu etwas Allgemeingültigem geworden. Für mich ist es selbstverständlich, dass Autisten Gefühle haben. Ihre „Intense World Theory“ haben sie bereits vor einigen Jahren aufgestellt. Vieles daran klingt plausibel und sehr wahrscheinlich. Was mich daran stört, ist der Absolutheitsanspruch. Denn er widerspricht allem, was ich ansonsten über Autismus gelernt habe, nämlich: Kennst du einen Autisten, kennst du genau einen Autisten – kennst du zwei Autisten, kennst du zwei Autisten. Denn jeder Autist ist anders. Daher finde ich es schwierig, aus dieser Theorie eine Regel zu formulieren. Henry Markram wirft der Forschung vor, sich festzubeißen an einmal erlangtem Wissen. Aber ich frage mich, ob er nicht genau das auch macht. Richtiger wäre es meines Erachtens, offen zu bleiben, für alle Möglichkeiten.

Irritiert hat mich, dass das Buch „Der Junge, der zu viel fühlte“ lautet, doch Kai, der Junge, um den es geht, nur eine Nebenrolle im Buch spielt. Dadurch bin ich mit falschen Erwartungen an das Buch herangegangen. Ich bin davon ausgegangen, viel mehr über das Verhältnis von Kai zu seinem Vater zu erfahren – in Bezug auf Kais Autismus. Doch die Hauptrollen im Buch haben Henry Markram und seine Forschungen, die durch Kai ausgelöst wurden.

Ich finde, dass es wichtig ist, dass das Thema Autismus in der Gesellschaft einen höheren Grad der Bekanntheit erfährt. Ebenso ist es gut, wenn Ängste gegenüber dem Thema Autismus abgebaut werden. Positiv ist für mich auch, dass durch die Forschungen der Markrams Autisten nicht mehr automatisch als Behinderte gesehen und behandelt werden.

Das Buch „Der Junge, der zu viel fühlte“ hat gezeigt, dass durch die Forschungen der Markrams das Selbstbewusstsein vieler Autisten gestärkt worden ist. Allein dadurch ist meines Erachtens schon viel erreicht worden.

Ob Autisten alle zu viel fühlen oder nur manche. Ob Henry Markram und seine Frau Kamila mit ihren Forschungen Recht haben oder ihre Gegner, wird irgendwann vermutlich bewiesen werden. Irgendwann ist die Medizin oder die Wissenschaft so weit, auch das zu erklären.

Fazit:
Ich habe etwas ganz anderes erwartet. Es geht um den Wissenschaftler Henry Markram und die Theorie, die er entwickelt hat, weil sein Sohn Autist ist. Die Theorie klingt gut und einleuchtend. Aber ich als Laie kann nicht beurteilen, ob sie stimmig ist. Außerdem habe ich aufgrund des Titels erwartet, dass ich viel mehr über den Sohn Kai erfahre.