Rezension

Das Buch lebt von seiner Atmosphäre

Die kleinen Wunder von Mayfair - Robert Dinsdale

Die kleinen Wunder von Mayfair
von Robert Dinsdale

Eine Anzeige spült die junge Cathy Wray in einen Londoner Spielzeugladen. Schwanger und verloren findet sie dort eine neue Heimat - mitten zwischen magischen Papierbäumen, lebenden Soldaten und galoppierenden Schaukelpferden. Und den zwei Söhnen des Eigentümers, die ständig miteinander konkurrieren.

 

Roberts Dinsdales Werk ist ein eigenständiger Roman, der Anfang des 20. Jahrhunderts spielt. Die  ersten Seiten waren magisch. Die frostige Stimmung, die sofort Eisblumen an die Scheiben  meines Geistes zauberte, verhieß  ein wundervolles Buch zum hineinträumen und  darin verweilen. Sobald ich gemeinsam mit Cathy „Papa Jacks Emporium“ betreten hatte, verfing ich mich in einer Welt voller Wunder und voller magischem Spielzeug, das Kinderherzen höher schlagen lässt.  Ich glaube, die Atmosphäre war es, die mir so unglaublich gut gefiel. Sie kribbelte in meinen Fingern und ich hatte plötzlich das unbändige Verlangen nach heißer Milch und Keksen. Und so war die erste Hälfte des Buches rasch gelesen.

Cathy ist ein junges Mädchen, das einen Platz sucht, an den sie gehört. Insofern kann ich sie gut nachvollziehen, obwohl sie für mich ein bisschen blass und formlos blieb. Ich hatte das ganze Buch über kein festes Bild von ihr vor Augen. Der Autor legte eh sehr viel mehr Wert auf die kleinen und großen Wunder des Emporiums und seine wundersame Struktur. Die Spielzeuge verleihen dem Buch meiner Meinung nach sein Herz! Und die beiden Söhne und ihr unbeirrbarer Konkurrenzkampf seine Seele. Das diese Seele nicht immer hell und strahlend sein kann, scheint klar zu sein. Kaspar und Emil haben das Spielzeughandwerk von ihrem Vater gelernt und wetteifern nun darum, wer der bessere ist. Dieser  Konflikt eskaliert im Buch immer weiter und nimmt ungeahnte Ausmaße an, besonders als der Krieg England und das Emporium erschüttert.

Einerseits fand ich die sich wandelnde Stimmung gut und wichtig für das Buch. Dinsdale beweist uns damit, dass er nicht nur eine fantastische Traumwelt beschreiben kann, sondern auch die Abgründe von Seelen, die zerrüttet und wieder zusammengesetzt worden sind - und das ohne das Geschick und die liebevolle Hand eines Spielzeugmachers. Die zweite Hälfte des Buches stellt sich folglich viel düsterer dar.

Das Buch lebt eigentlich durch den Zusammenschnitt der unterschiedlichen Atmosphären und durch das Spielzeug, das mich vor allen Dingen im ersten Teil des Buch begeisterte).

Kritisch muss ich jedoch anmerken, dass ich nicht in die Tiefen des Buches gesogen wurde, sondern nur an der Oberfläche schwamm. Spannung kam bei mir leider nur wenig auf. Und die Wendung am Schluss war für mich ein bisschen plötzlich - und zu kurz ausgebaut.

 

Was bleibt ist ein Buch, das wunderbar mit Wundern und Stimmungen zu spielen vermag. Spannung kommt jedoch selten auf und wer nur frostige Wunder erwartet, der sei an dieser Stelle gewarnt. Die seelischen Abgründe verbergen sich auch zwischen vielen kleinen Wundern! 4 Sterne bekommt dieses Buch von mir.