Rezension

Das DDR Dilemma

Verraten -

Verraten
von Grit Poppe

Bewertet mit 4 Sternen

Verloren, verborgen, verpflichtet und verraten- durch diese Etappen schlittert Sebastian, mehr unfreiwillig als gewollt, sehenden Auges und doch überraschend. Er sieht sich mit der Komplexität der DDR konfrontiert, den Agentenspielchen der Stasi, dem Vermächtnis seines Vaters und seiner eigenen Rolle in diesem Spiel um Macht, Loyalität und Treue.

Sebastian erwartet nach dem Tod seiner Mutter nicht etwa ein wohliges Kinderheim, sondern vielmehr ein Auffangbecken für schwer erziehbare Jugendliche, in dem die Methodiken denen eines Gefängnisses gleichen. Fassungslos wird er in diese Welt gestoßen und versucht auf dem rauen Pflaster zurechtzukommen, bis ihn schließlich sein Vater abholt, den er seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Hin- und Hergerissen zwischen Dankbarkeit und Wut finden Vater und Sohn in einen Alltag zusammen, der viele Fragen offenlässt. Als dann auch noch Sebastian in die Fänge der Stasi gerät und seinen Vater bespitzeln soll, der zum Staatsfeind mutiert ist, sieht er sich in einer ausweglosen Situation, zumal Sebastian sein eigenes Geheimnis auf dem Dachboden versteckt: Katja, die mit seiner Hilfe aus dem Heim ausgebrochen ist und auf keinen Fall entdeckt werden darf. 

Grit Poppe skizziert mit "Verraten" mehr als nur einen unterhaltsamen, spannenden Jugendroman, sondern vielmehr eine authentische Skizzierung der damaligen Verhältnisse, vor denen ich bisher die Augen verschlossen habe. Die Schilderungen sind grausam, brutal und die Methoden der Stasi komplett rechtswidrig und doch basieren viele Elemente des Buchs auf wahren Begebenheiten. Die Beklemmung zwischen den Zeilen, die Angst und Verzweiflung Sebastians zum einem in Bezug auf den Staat, aber auch hinsichtlich seiner Familie überwiegen. Die innere Zerrissenheit spannt den Bogen soweit, dass die Sehnen zu reißen drohen, immer und immer wieder. Das Gefühl Sebastians dem Ganzen Spiel seines Lebens nicht gerecht zu werden, wird so phänomenal emotional gesteigert, dass ich nicht aufhören konnte mit zu fiebern. Viele Passagen regen zum Nachdenken an und lassen den Leser innehalten. Der Stil ist dabei leicht, der Perspektivwechsel erfrischend und die Charaktere nahbar gezeichnet. Eine klare Empfehlung für alle Fans von guten recherchierten DDR-Romanen, Freunden von spannungsgeladenen Agentengeschichten und denen, die immer schon mal wissen wollte, was das Gefühl von Macht in einem Menschen auslösen kann.