Rezension

Das Dilemma des untreuen Mannes

Der Preis der Treue - Diane Brasseur

Der Preis der Treue
von Diane Brasseur

Bewertet mit 4 Sternen

Diane Brasseur versucht sich in „Der Preis der Treue“ an der Perspektive eines Mannes, der in einer Zwickmühle steckt. Er ist verheiratet, hat aber zu viel Liebe zu geben, dass seine Frau ihm dafür nicht genügt. Aus seiner prekären Lage findet er daher einen höchst originellen Ausweg: Er startet eine Affäre mit einer Frau. Der Originalität ist damit nicht noch nicht genüge getan: Er verliebt sich eine Frau, die so viel jünger als er ist, dass sie bald seine Tochter sein könnte. Das ganze klingt nach einer ausgelutschten Geschichte, nach dem seit Menschengedenken sich ewig wiederholenden Treuebruch aus Geilheit. Viel mehr steckt auch nicht drin in der Geschichte, zumindest bei ausschließlicher Betrachtung der Rahmenhandlung.

Immerhin schlägt sich Brasseur glaubwürdig durch das Geflecht aus Lust, Gewissensbissen und Selbstrechtfertigungen. Auch ist das Buch nicht ganz ohne sprachliche Raffinesse geschrieben und lässt die zähe, bittere Masse greifbar werden, die der eigentlich Leidtragenden, der an die Treue glaubenden Ehefrau des Mannes, aus allen Ritzen des Konstruktes entgegenquillt, das sie vor der Entdeckung des Betrugs noch für Ihre gute, auf dem stabilen Sockel der Liebe stehenden Ehe gehalten hat. „Der Preis der Treue“ zeigt so eher, welchen Preis die Untreue hat, nämlich den Verlust dessen, was wirklich einen Wert hat und gegen Lust ohne Perspektive eingelöst wird. Der konstruierte Widerspruch, der dabei Dreh- und Angelpunkt des Romans ist, das die Liebe zur Ehefrau nicht vor außerehelicher Geilheit schützt, ist dabei allerdings so wenig widersprüchlich wie die Tatsache, dass Gefühle multivalent sind und schier unendlich viele Spielarten der Lust und Liebe existieren, die nebeneinander bestehen können. Interessant ist aber dann doch, wie Brasseur die Gedankengänge Ehebrechers akribisch offenlegt, die zu Entscheidungen oder vielmehr Nicht-Entscheidungen führen. Das ist das entscheidende Moment, weswegen es sich lohnen könnte, das Buch zu lesen. Es wird darin verständlich, weshalb Männer sich eben nicht entscheiden, sondern sich in Entscheidungsvermeidungsstrategien verstricken. Es ist eben fast eine Unmöglichkeit, die Liebe zu einem Menschen, mit dem man fast alle bedeutenden Ereignisse gemeinsam erlebt hat und den man im wahrsten Sinne innig liebt, mit der Lust und dem Drang nach Freiheit aufzuwiegen, die durch eine Affäre bedient werden.

Insgesamt denke ich also mit gemischten Gefühlen an die Lektüre von „Der Preis der Treue“ zurück. Es war kurzweilig zu lesen und über manches darin lohnt es sich durchaus nachzudenken. Die Charaktere werden mir aber kaum in Erinnerung bleiben und die Rahmenhandlung entbehrt zwar die Originalität, aber die relative Alltäglichkeit des Geschehens das macht das Buch vielleicht auch wiederum interessant.