Rezension

Das eigene Leben augenzwinkernd (ver)achten

Man muss auch mal loslassen können - Monika Bittl

Man muss auch mal loslassen können
von Monika Bittl

Bewertet mit 3 Sternen

Drei Frauen sehen keinen Ausweg mehr, sie wollen sich das Leben nehmen. Bloß wie, welche Methode ist die beste? 

Charlotte ist ein schlankes Persönchen von 44 Jahren. Sie ist sensibel, versonnen und sehr zerstreut. Um sich ganz ihrem literarischen Werk widmen zu können, kündigt sie sogar ihre gesetzliche Krankenversicherung. Als Charlotte erfährt, dass sie an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt ist, sie ihre Geschwister vor dem finanziellen Ruin bewahren möchte und zudem erkennt, dass ihr Werk nichts taugt, gibt es für sie nur die eine Lösung – den Freitod.

Wilma, 59 Jahre alt, hat ihr Lebenlang als Gastwirtin gearbeitet, drei Kinder selbst großgezogen und war immer für jeden da, der sie brauchte. Ihre ganze Lebensfreude bezog sie aus ihrem Wirtinnendasein, da sie gerne für andere sorgte und für das ihr im Gegenzug entgegengebrachte Vertrauen und Sympathiegefühl dankbar war. Das ändert sich schlagartig, als sie wegen missachtetem Rauchverbot ihre Konzession verliert. Um den Politikern einen Denkzettel zu verpassen möchte sie Selbstmord begehen.

Jessy, die 21jährige Aldi-Kassiererin, spitzzüngig, extrovertiert und hochbegabt, möchte alles anders machen in ihrem Leben als ihre Mutter, die Alkoholikerin, die nie für ihre Tochter dagewesen ist. Als Jessy ihren Freund, Jossip, den Jura-Studenten, in flagranti mit einer anderen erwischt, gibt sie ihren Kampfgeist und Lebenswillen auf. Jossip soll für seinen gedankenlosen „Tagesausflug“, wie er seinen Seitensprung nennt, bezahlen – mit ihrem eigenen Leben. 

Charlottes, Wilmas und Jessys Wege kreuzen sich bei der Suizid-Beratungsstelle „Dare it“ und sie beschließen ihr Selbstmordvorhaben gemeinsam zu meistern. Nach drei missglückten Versuchen geraten sie an einer Tankstelle in einen Raubüberfall. Kurzerhand werfen sie sich den Dieben an den Hals, um als Geiseln mitgenommen zu werden. Und vielleicht haben die zwei ja mehr Mumm als sie selbst und können die unangenehme Aufgabe des Tötens für sie übernehmen?‮

Der Leser nimmt abwechselnd am inneren Erleben Charlottes, Wilmas, Jessys und der beiden Möchtegern-Gangster, Ralle bzw. Moritz, teil. Je nach Vorlieben wird sich der Leser in unterschiedlichem Maße mit den Figuren identifizieren. Mein persönlicher Liebling war Charlotte. Mit Jessy konnte ich dagegen am wenigsten anfangen; obwohl ihr von den anderen Figuren so viele positive Eigenschaften zugeschrieben wurden, empfand ich sie als ichbezogen, flach und taktlos.

Abgesehen von einigen Plot- und Plausibilitätsschwächen liefert uns Monika Bittl mit „Man muss auch mal loslassen können“ einen lebhaften und spritzigen Roman. Von der Grundidee her liegt dem Roman zwar der Gedanke des schwarzen Humors zugrunde, mit der Innensicht der Romanfiguren und ihrem gedanklichen Austausch untereinander übt die Autorin allerdings eher Gesellschafts- und Sozialkritik aus – natürlich mit dem nötigen Augenzwinkern und einer ordentlichen Portion Humor. Jede Figur lernt von der anderen und so entscheidet jede für sich, nicht aufzugeben, sondern ihr Leben von neuem in die Hand zu nehmen. Sie erkennen auch, dass man sich selbst nicht immer so ernst nehmen sollte – eine Erkenntnis, die sicherlich jedem und jeder von uns ebenfalls zugute käme!