Rezension

Das „El Encanto" macht seinem Namen alle Ehre

Das schönste Mädchen Havanas - Susana López Rubio

Das schönste Mädchen Havanas
von Susana López Rubio

Bewertet mit 4.5 Sternen

Worum geht's?

„Ein berauschendes Gefühl von Abenteuer und Gefahr erfasste uns. Wir waren wie zwei Kinder, die die Regeln überschritten, in dem aufregenden Bewusstsein, dass wir zusammen stark waren und, wenn wir wollten, nach den Sternen greifen konnten."
(S. 143)

Kuba, 50er Jahre: Patricio ist 19, als er seine Heimat Asturien verlässt und nach Havanna kommt, um sich dort ein neues Leben aufzubauen. In der schillernden, exotischen Hauptstadt fühlt er sich schnell wohl; er findet Freunde, und es dauert nicht lange, bis er seinen Job als Schuhputzer für eine Anstellung im funkelndsten Kaufhaus der Stadt - dem El Encanto - antreten kann. Dort wirft die Aufzugführerin Nely schnell ein Auge auf ihren charmanten und gewitzten neuen Kollegen. Doch Patricio verliert sein Herz an eine andere: an Gloria, die ihn sofort mit ihrem freundlichen und klugen Wesen verzaubert. Allerdings bringt das Patricio in große Schwierigkeiten. Denn Gloria ist verheiratet, mit niemand Geringerem als dem gefährlichen Mafiaboss César Valdés ...

Was mich neugierig gemacht hat:

Dieses Buch war einfach einmal etwas ganz anderes für mich. Zwischen den Jugend- und Fantasybüchern sowie Ratgebern, die ich in letzter Zeit verschlungen habe, war es eine schöne Abwechslung. Gereizt haben mich ganz besonders das tropische Setting, die mafiöse Gefahr und der märchenhafte Touch der Geschichte. Auch die Covergestaltung hat mich angesprochen.
Auf das Buch aufmerksam geworden bin ich ganz spontan durch eine Verlosungsaktion des Verlags.

Wie es mir gefallen hat:

Da online eine falsche Seitenzahl angegeben war, habe ich mich zuerst mal über den Umfang des Buches gewundert: mit knapp 500 Seiten ist es schon ein recht dicker Wälzer.
Obwohl ich schon grob wusste, um was es geht, gab es auch darüber hinaus einige Überraschungen für mich, zum Beispiel, dass die Geschichte aus zwei Ich-Perspektiven (Patricio und Gloria) und dass tatsächlich ein sehr langer Zeitraum erzählt wird. Beides hat mir gut gefallen.

Abgesehen vom zentralen Plot besticht das Buch vor allem durch seinen Schauplatz. Susana López Rubio ist es außerordentlich gut gelungen, Glanz und Verfall einer Ära Havannas wieder aufleben zu lassen. Sie versteht sich darauf, historische Ereignisse ganz natürlich und ungezwungen in die Handlung mit einzuweben. Nach dem Lesen kribbelte es mir regelrecht in den Fingern, ein bisschen über das El Encanto zu recherchieren.

Die Heldin des Buches ist für mich Gloria, während ich mit Patricio gern das eine oder andere Hühnchen rupfen würde.
Gloria ist trotz der vielen Rückschläge, die das Leben und vor allem ihre Ehe ihr verpasst haben, ein so lebensfroher und aufgeschlossener Mensch. Das hat mich beeindruckt.
Auch Patricios Art mochte ich im Grunde sehr gern, weil er ein echter Lebenskünstler ist und sich mit seiner Raffinesse und seinem Humor überall durchfuchst. Seine Eigensucht hat mich aber manchmal schier zur Weißglut getrieben. Besonders, wie er mit Nely umgegangen ist, hat mir wirklich zugesetzt. Absolut brillant dargestellt fand ich dagegen die Männerfreundschaft zwischen ihm, Grescas und Guzmán.

Es wurde an keiner Stelle langweilig und die vielen liebevollen Details und Geschichten aus Havanna und dem El Encanto haben mich gut unterhalten (wenn mich nicht alles täuscht, sind viele davon wahr, denn die Autorin bedankt sich am Ende des Buches bei den ehemaligen Angestellten).
Obwohl ich das Buch als einen Happy-End-Garant eingeschätzt hatte, gab es doch mehr als einen Twist, der dies immer unwahrscheinlicher werden ließ. Alles entwickelte sich etwas anders als erwartet.

Ein entscheidender Wendepunkt hat mich nicht wirklich überzeugen können. An dieser Stelle erschienen mir die Hindernisse zu konstruiert. Es steuerte alles etwas zu sehr darauf zu, den Protagonisten hier das Schlimmstmögliche zuzumuten. Das sorgte für eine nahezu qualvolle Schleife im hinteren Drittel, die aber sicherlich genau so von der Autorin beabsichtigt war.

(Für wen) Lohnt es sich?

Für Fans von schicksalhaft-tragischromantischen Liebesgeschichten, die mit wahren Begebenheiten verknüpft sind, sowie alle, die einer literarischen Reise nach Kuba nicht abgeneigt sind, ist dieses Buch sehr zu empfehlen.

In einem Satz:

„Das schönste Mädchen Havannas" ist eine gekonnt in die historischen Hintergründe und das einzigartig kubanische Flair der 50er Jahre eingebettete Liebesgeschichte, und auch, wenn ich mir einzelne Aspekte anders gewünscht hätte, kann ich nur sagen: El Encanto me ha encantado.