Rezension

Das Elend der „Goldenen Zwanziger“

Berlin Friedrichstraße: Novembersturm -

Berlin Friedrichstraße: Novembersturm
von Ulrike Schweikert

Bewertet mit 4 Sternen

Ein vielschichtiger Roman , der ein immenses Repertoire an Fakten , Daten und Persönlichkeiten mitbringt.

Berlin 1920
Friedrichstraße.
Ein Jahrhundertbauwerk auf das die Welt schaut wenn es fertig errichtet wurde. Der Am Neubau des Bahnhof Friedrichstraße und an der Planung der ersten U-Bahnlinie in Berlin mitzuarbeiten , ist für den jungen Architekten Robert, ein großes Privileg. Überglücklich geht er zu seiner großen Liebe Luise und macht ihr einen Heiratsantrag. Endlich so hofft er ,wird wieder alles gut . Der Krieg ist vorbei , seine äußerlichen Wunden verheilt und das Leben nimmt endlich wieder Fahrt auf . Wenn da nur nicht diese schlimmen Träume wären ,die ihn Nacht für Nacht zurück in die blutgetränkten Schützengräben schicken. Robert hat im Krieg zusammen mit Johannes, seinem besten Freund aus Kindertagen an der Front gekämpft .
Zurückgekommen ist aber nur er.
Nicht Robert, sondern Johannes war einst Luises erste Liebe . Als sie nach einiger Zeit nicht mehr an seine Rückkehr glaubt , lässt sie sich von Robert trösten und sagt „Ja“ zu seinen Heiratsantrag.
Johannes gilt offiziell noch immer als vermisst.
Wie das Schicksal so spielt , taucht er ausgerechnet am Hochzeitstag von Luise und Robert wieder auf . Kriegsversehrt , ohne Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft und ein bisschen Glück, mit Luise.

Eine große Liebe und ihre Dramatik , in den 20er Jahren in Berlin.
Ulrike Schweikert hat für ihre neue Roman Trilogie tief in der deutschen Historie recherchiert und ein immenses Repertoire an Fakten , Daten und Persönlichkeiten, im ersten Teil „Novembersturm“ verarbeitet. Der Schreibstil ist wie immer angenehm leicht zu lesen. Man gleitet förmlich durch die Geschichte und erfährt sehr viel von dem was sich zwischen dem ersten Weltkrieg und den aufstrebenden 20er Jahre in Deutschland ereignet hat . Ein ganzes Füllhorn an berühmten Persönlichkeiten der Zwanziger Jahre, wird quasi über die Geschichte ausgeschüttet . So einigen der damaligen Stars , wie zum Beispiel Asta Nielsen oder Marlene Dietrich, die heutigen Legenden aus Film , Theater und Musik , wurde in dem Roman ein glamouröser Auftritt gewährt. Gekonnt von der Autorin in Szene gesetzt und im Geschehen des Romans eingearbeitet .
Wieder einmal zeigt uns die Geschichte , das die „Goldenen 20er“ bei weitem nicht so golden waren , wie es scheint. Zwischen all dem Flitter und Amüsement in einschlägigen Lokalen , blickte einem an fast jeder Stelle das Elend und der Hunger der Nachkriegszeit an . Die billigen und viel zu kurzen Kleidchen der notleidenden Frauen, die jede Nacht für ein paar Groschen ihre Körper zur Schau stellen und anbieten, damit ihre Kinder die nächsten Tage überleben. Die Kriegsversehrten, für die ein normales Leben mit Arbeit , ohne fremde Hilfe und Unterstützung nicht mehr möglich ist . Wer von ihnen den Krieg überlebt hat, stirbt wahrscheinlich irgendwo unentdeckt und alleine oder bleibt lieber unerkannt, vor lauter Scham über fehlende Gliedmaßen oder schlimmste Entstellungen.
Der Hintergrund der Geschichte ist der Autorin gut gelungen . Der Leser erhält einen aussagekräftigen und vielschichtigen Eindruck der Epoche .
Für mich hätte die persönliche Geschichte von Robert , Luise und Johannes, etwas mehr ausgearbeitet in den Vordergrund gekonnt . Vor dem raumeinnehmenden Hintergrund mit vielen großen Persönlichkeiten und Geschehnissen , droht die eigentliche Geschichte zeitweilig etwas zu verblassen.
Nichtsdestotrotz habe ich den Roman gerne gelesen und bin auf die Fortsetzung gespannt .

Für den Auftakt der Trilogie
vergebe ich 4 **** Sterne