Rezension

Das erste Buch Stephen Kings: Ein Erfolg, ganz zu recht

Carrie - Stephen King

Carrie
von Stephen King

Inhalt:

Carrie White führt kein einfaches Leben: ihre Mutter ist eine religiöse Fanatikerin, von ihren Mitschülern wird sie dauernd gehänselt und ihr werden miese Streiche gespielt. Doch im Gegensatz zu allen anderen kann sie in extremen Stresssituationen unglaubliche Kräfte freisetzen. Als Dreijährige lässt sie einen Stein- und Eisregen auf ihr Elternhaus herabregnen, als ihre Mutter ihr in einem Anfall religiösen Wahns nach dem Leben trachtet. Viele Jahre später löst eine Situation tiefster Demütigung eine Reihe katastrophaler Ereignisse aus. Mittlerweile hat Carrie gelernt, ihre Kräfte zu kontrollieren und gegen andere Einzusetzen. Das wird Carries Mitschülern auf ihrem Abschlussball nun zum Verhängnis... und nicht nur ihnen...

 

Meine Meinung:

Der Roman ist eine bunte Mischung aus Nachrichtenmeldungen, (fiktiven) Fallstudien und natürlich der Hauptgeschichte über Carrie. Warum das so ist erfährt man im Nachwort meiner schon eher alten Ausgabe. "Carrie" ist der erste Roman Kings und die ursprüngliche Fassung mit der reinen Erzählung war den Verlagen schlichtweg zu kurz. So hat King sie weiter ausgeschmückt mit Auszügen aus Telekinese-Studien und Befragungen der Überlebenden der "schwarzen Ballnacht", wie der Abend der Katastrophe in der Stadt Chamberlain später genannt wurde. Die integrierten Fachartikel und Meldungen etc. finde ich an und für sich nicht uninteressant. Manche davon stören den Lesefluss jedoch ein wenig, da man so aus der Geschichte herausgerissen wird, andere integrieren sich gut und geben interessante Zusatzinfos. Insgesamt finde ich es stellenweise aber einfach als zu viele Unterbrechungen der eigentlichen Geschichte. Aber sie machen den Roman doch zu etwas besonderem. King zeigt, wie gut er verschiedene Stile zusammenfügen kann zu einen stimmigen Gesamtbild.

Carrie ist ein bemitleidenswertes junges Mädchen. Im Buch wird sie als nicht sehr hübsch und pummelig dargestellt. Ihre religiös-fanatische Mutter, die meistens nur 'Momma' genannt wird, versucht sie vor den Sünden und dem Unheil der Welt zu bewahren. Mit radikalen Maßnahmen: Carrie muss oft mehrere Stunden in einem Kämmerchen aushocken und soll beten. Sie darf abends nicht weggehen und wird von ihrer Mutter auch nicht über das Erwachsenwerden aufgeklärt.. Das hat natürlich Folgen. Ihre Mitschüler erkennen die Andersartigkeit Carries, woraufhin diese gehänselt und als Außenseiterin abgestempelt wird.

Ein prägendes Ereignis löst dann die Katastrophe aus. Carrie bekommt nach dem Schulsport im Duschraum ihre erste Periode - und weiß tatsächlich nicht, was das ist. Sie ist der Meinung, sie würde verbluten und bekommt einen hysterischen Anfall. Für ihre Mitschülerinnen ist das natürlich ein Anlass, Carrie zu mobben. Sie bewerfen sie mit Binden und Tampons. Carrie ist total fertig. Das Verhalten der anderen Mädchen ist natürlich unmöglich, und Carrie tut mir wirklich Leid. Doch es ist erstaunlich, wie gut der Autor diese Situation geschildert und sich zu Nutzen gemacht hat. Durch dieses Ereignis treten Carries besondere Telekinse-Fähigkeiten deutlich hervor. Mit der Kraft ihres Willens kann sie nun bewusst Dinge bewegen. 

Als Carrie danach unerwarteterweise auf den Abschlussball eingeladen wird, freue ich mich zunächst mit ihr, doch es ist klar, dass daraus nichts gutes werden kann. Ihre Mutter weiß es, und Carrie ahnt ebenfalls, dass sie nur wieder jemand ärgern will, doch sie will sich die Chance nicht entgehen lassen. Carrie mutiert langsam zu einem Monster, doch kann man ihr das Verdenken? Ihre Mutter rastet total aus, als sie vom Vorhaben ihrer Tochter erfährt. Doch Carrie kann sie nun kontrollieren, ihre Kräfte gegen sie einsetzen. Sie kann sie in die Luft wirbeln, sie festhalten, ihr den Mund verschließen, sie einzusperren.. und das tut sie auch. Ohne über die Konsequenzen nachzudenken, lässt sie ihren Kräften freien Lauf. Doch ehrlich gesagt, ich selber dachte mir nie 'oh nein, wie schrecklich'. Sondern 'Sie haben es verdient, mach weiter so, Carrie'. Es ist faszinierend, wie der Autor es schafft, den Leser zu so einer Reaktion zu bringen.

Die Geschichte schaukelt sich immer weiter auf. Man spürt, wie sich die finale Katastrophe anbahnt. Die Entwicklung von Carrie finde ich sehr beeindruckend. Von einem zurückhaltenden, ängstlichen Mauerblümchen zu einem wilden, aufbrausenden Mädchen. Kein Wunder, dass King mit seinem ersten Roman so einen Erfolg hatte. Die Charaktere sind vielseitig und interessant, die Story ist mitreißend und zugleich bedrückend. Je weiter sich die Geschichte entwickelt, desto mehr wird Carrie wie ein Monster dargestellt. Jeder fürchtet sich vor ihr und beschimpft sie, ohne darüber nachzudenken, was eigentlich dazu geführt hat. Was mich sehr traurig macht, denn sie ist eigentlich ein jahrelang unterdrücktes, gemobbtes Kind, das nur seine Wut rauslässt. sobald es einmal die Möglichkeit bekommt. Nur durch ihre Telekinse-Fähigkeiten hat das eben katastrophale Auswirkungen. Doch daran kann oder will sich im Nachhinein niemand erinnern.
 

Mein Fazit:

"Carrie" ist eine gelungene Mischung aus Reality und übernatürlichen Elementen. Mit der Protagonistin kann ich mitfühlen und sie verstehen. Obwohl sie zu einer Bedrohung für ihre gesamte Heimatstadt wird. Die Geschichte ist sehr gut geschrieben und stimmt mich nachdenklich. Obwohl der Roman bereits 1974 eschienen ist, finde ich ihn keineswegs veraltet. Er ist immer noch spannend und aktuell. *Daumen hoch*