Rezension

Das Gefühl der Bedrohung ist stetig spürbar

Der Vogelbrunnen
von Paddy Richardson

Mit achtzehn Jahren lernt Claire den wesentlich älteren Alex kennen und verliebt sich sofort in ihn. Beide fühlen sich innig zueinander hingezogen und sehr schnell erwartet Claire ihr erstes Kind, Anni. Claires Eltern sind gegen die Beziehung aber Alex und Claire heiraten und verleben eine wunderschöne gemeinsame Zeit mit vielen Reisen. Ihr liebster Ort ist das gemeinsam erworbene Strandhaus.

Nach dem plötzlichen Tod von Alex fällt es Claire schwer ins Leben zurückzufinden. Sie muss sich daran gewöhnen Entscheidungen alleine zu treffen und für den Lebensunterhalt zu sorgen. Leider hat Alex auch nicht vorgesorgt, so dass Claire und ihre Tochter Anni so einige Sorgen haben. Doch Claire gibt nicht auf. Als Journalistin gelingt es ihr den Lebensunterhalt sicherzustellen. Da erreicht sie ein verlockendes Angebot: Sie soll die Biographie des Serienvergewaltigers Travis Crill schreiben und wird zu diesem Zweck von dessen Anwalt kontaktiert. Trotz einiger Bedenken nimmt Claire das Angebot an. Seitens des Auftraggebers wird ihr zwar Anonymität zugesichert und die Möglichkeit selbst zu recherchieren, aber es kommt alles anders. Scheinbar soll die Biographie nur dazu dienen Travis Crill zu entlasten. Das aber liegt nicht in Claires Interesse. Sie will die Wahrheit schreiben und so begibt sie sich in Recherchearbeiten, die wesentlich mehr Zeit in Anspruch nehmen als sie gedacht hat. Claire befragt die Familie des Täters, die Opfer und sogar den Täter selbst. Sie erforscht dessen Vergangenheit und bringt Dinge ans Licht, die sie in Gefahr bringen. Und dann kommt entgegen der Zusage des Auftraggebers ihr Name an die Öffentlichkeit.

Claires mittlerweile 16-jährige Tochter Anni verfolgt heimlich die Recherchearbeiten ihrer Mutter. In dieser Zeit scheint sie ihrer Mutter irgendwie zu entgleiten. Sie ist in der Pubertät und lernt eine neue Freundin an der Schule kennen, die nicht gerade einen vorteilhaften Einfluss auf Anni hat. In der Schule lässt Anni nach und auch ansonsten kann Claire sich nicht mehr wie früher auf ihre Tochter verlassen. Es scheint als würde Anni von ihrer neuen Freundin Savannah in gewisser Weise manipuliert.

So wie die Tochter, gerät aber auch Claire als Mutter in bedrängende Situationen und lernt mit Travis Crill einen Menschen kennen, der andere zu manipulieren versteht. Außerdem stellt er mehr und mehr eine Bedrohung dar. Obwohl er im Gefängnis sitzt, fühlt Claire sich verfolgt und das kommt nicht nur daher, dass Travis Dinge von ihr weiß, die er gar nicht wissen kann.

Für mich als Leserin war da häufig dieses Gefühl einer gewissen Gemeinsamkeit zwischen Travis Crill und Savannah, wenngleich deren Motivation eine gänzlich andere ist. Dennoch ist eine Art von Verwahrlosung in beiden Fällen nicht von der Hand zu weisen.

Die Handlung lebt in der Hauptsache von zwei Handlungssträngen und wird mal aus der Sicht von Claire und mal aus der Sicht von Anni erzählt. Etwas Raum nehmen auch die Geschichten der Opfer und die des Täters ein.

Die Autorin versteht es hier geschickt die zwei Handlungsstränge miteinander zu verbinden, Spannung aufzubauen und auf hohem Niveau zu halten. Die Charaktere werden alle genauestens beschrieben, aber an keiner Stelle wird zu viel verraten. Bis zum finalen Höhepunkt, der natürlich im und am Strandhaus spielt, kann sich der Leser nicht sicher sein was geschehen wird.

Der Titel des Buches trifft hier den Kern leider nicht wirklich. Wenngleich tote Vögel und ein Vogelbrunnen eine Rolle im Buch einnehmen und auch mit der Vergangenheit von Travis und auch Claire zu tun haben, so beschreibt doch der Originaltitel A Year to Learn a Woman viel genauer den Inhalt des Buches.

Diesen Thriller sollte man gelesen haben.

Copyright © 2010 by Iris Gasper