Rezension

Das Glück der kleinen Augenblicke

Immer wieder im Sommer - Katharina Herzog

Immer wieder im Sommer
von Katharina Herzog

Bewertet mit 4 Sternen

~~Von ihrem Ehemann Max geschieden, lebt Anna mit ihren Töchtern Sophie und Nelly in München und arbeitet halbtags als Zimmermädchen in einem Hotel. Eines Tages erhält sie einen Brief von ihrer Mutter Frieda mit der Bitte um ein Gespräch, seit sie als 18-Jährige ausgezogen ist, hatte sie keinen Kontakt mehr zu ihr. Anna entscheidet, während ihre Töchter bei Max in den Ferien sind, mit ihrem alten VW-Bus einige Tage nach Amrum zu fahren, um ihre Jugendliebe Jan wiederzusehen, der dort arbeitet. Auf dem Weg dorthin will sie bei ihrer Mutter vorbeischauen. Doch dann kommt alles ganz anders: sie erwischt Max inflagranti mit einer Frau im Bett, als sie gerade Sophie und Nelly abliefern will. Daraufhin wollen die Töchter nicht dort bleiben und lieber mit ihrer Mutter nach Amrum fahren. Dann sitzt auch Max mit im Bus und nach dem Besuch bei ihrer Mutter steigt auch Frieda noch mit zu. Unterwegs wird noch der 15-jährige Anhalter Milan aufgelesen. Annas Reise entwickelt sich ganz anders als geplant. Und das geht in Amrum so weiter – keine ruhige Minute, Stress mit Max und Sophie, Annährung mit Frieda und nie Zeit, um Jan mal zu treffen. Aber auf einmal sind andere Themen wichtiger, denn Frieda vergisst immer mehr, was wird aus deren Pferdehof und auch die Beziehung zu Max steht nochmals auf dem Prüfstand. Wurde alles gesagt? Wie sieht Annas Zukunft aus und die ihrer Familie?
Katharina Herzog hat mit ihrem Buch „Immer wieder im Sommer“ einen sehr gefühlvollen Familienroman vorgelegt, der sich mit einigen schwierigen Themen wie Mobbing in der Schule, Scheidungskindern, Untreue und Demenz beschäftigt. Der Schreibstil ist flüssig, manchmal melancholisch, der Leser ist ab der ersten Seite unsichtbarer Begleiter von Anna und ihrer Familie, hat ebenso einen Platz in dem alten VW-Bus bzw. in dem schönen Strandhaus auf Amrum und erlebt hautnah das Zusammenspiel zwischen den einzelnen Familienmitgliedern mit. Die Perspektivwechsel der einzelnen Kapitel geben einen schönen Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt jedes einzelnen, wobei die von Frieda meist die Vergangenheit heraufbeschwören und ihre Erinnerungen an früher wiedergeben.
Die Charaktere sind sehr schön ausgearbeitet und in Szene gesetzt. Alle haben ihre besonderen Eigenheiten, Ecken und Kanten, wodurch sie sehr authentisch und lebendig wirken, wie Menschen, denen man täglich begegnet oder bereits lange kennt. Anna ist eine alleinerziehende Mutter, die sich insgeheim noch nicht von der Trennung ihres Mannes erholt hat. Sie hat vor langer Zeit mit ihrer Mutter gebrochen, nachdem ihr Vater verstarb. Anna ist ein Sturkopf, die sich selbst irgendwo verloren hat und krampfhaft versucht, sich wiederzufinden. Dabei soll ihr eine alte Jugendliebe helfen. Aber auch für ihren Exmann Max hegt sie noch Gefühle, obwohl sie sich das nicht zugeben will. Sophie ist 14 Jahre alt und mitten in der Pubertät. Sie ist eine Außenseiterin in der Schule, hat nur eine enge Freundin und ist heimlich verliebt in einen Jungen aus der Schule. Sie ist aufmüpfig, nörgelt nur rum und man kann es ihr nie recht machen. Nelly ist 8 und hat immer Magenschmerzen, wenn sie in die Schule muss. Sie liebt Tiere und vor allem das Kochen, so sorgt sie für das leibliche Wohl ihrer Mutter und Schwester. Max ist Pilot und hat sich zu einem Schürzenjäger entwickelt. Seit einiger Zeit ist er krankgeschrieben und der Gedanke, dass Anna ihre Jugendliebe Max wiedersehen könnte, gefällt ihm gar nicht. Eigentlich möchte er seine Familie zurück und noch einmal ganz von vorn anfangen. Und dann ist da Frieda, Annas Mutter, eine etwas unterkühlte Frau, die immer mehr von ihrem Leben vergisst, ihre Enkelinnen noch nie gesehen hat und die von ihren Erinnerungen lebt. Gerade Friedas Art bringt Spannung in die Geschichte, denn sie ist so ganz anders, als man es von ihr erwartet und doch hat sie etwas so liebenswertes an sich. Die Entwicklung der einzelnen Charaktere innerhalb der Handlung ist wunderbar zu beobachten.
„Immer wieder im Sommer“ ist ein Familienroman der etwas anderen Art, ein Road-Trip zurück in die Vergangenheit, auf der Suche nach verschollenen Gefühlen und Erinnerungen mit der Aussicht auf einen Neuanfang und vielen durchwachsenen Gefühlen von heiter bis wolkig und traurig. Eine Leseempfehlung für alle, die gern auch nachdenkliche Untertöne und schwierigere Themen mögen, die hier sehr gelungen eingeflochten wurden.