Rezension

Das Grauen als ständiger Begleiter bei der Lektüre

Liebes Kind - Romy Hausmann

Liebes Kind
von Romy Hausmann

Bewertet mit 5 Sternen

Wer psychologische Thriller mag, ist mit „Liebes Kind“ bestens bedient. Ich kann es uneingeschränkt empfehlen, zart besaitete Gemüter sollten sich allerdings darüber im Klaren sein, dass das Entsetzen bei der Lektüre an vielen Stellen ihr ständiger Begleiter sein wird.

 

Vor 14 Jahren ist Lena, Studentin, von einem Tag auf den anderen verschwunden. Es gab keinerlei Lebenszeichen, keine Lösegeld- oder andere Forderungen, was ist damals und in den folgenden Jahren passiert? Diese Frage zieht durch das ganze Buch, das mit einem Ereignis kurz vor Auflösung der Geschichte beginnt. Eine Frau läuft durch einen dunklen Wald, in Panik rennt sie auf die Straße und wird von einem Auto erfasst. Der Unfallfahrer ruft den Notarzt und verschwindet dann spurlos. Hannah, die etwa 13 Jahre alte Tochter der verletzten Frau, fährt mit ins Krankenhaus und verrät den Helfern, dass ihre Mutter Lena heißt. Nur Lena. Was ein Nachname ist, das weiß Hannah nicht. Überhaupt ist das, was Ärzte und Schwestern in den folgenden Stunden erfahren, überhaupt nicht zu begreifen, nicht einzuordnen.Als Lenas Eltern von der Polizei von diesem Vorfall erfahren, machen sie sich sofort auf den Weg in Krankenhaus. Voller Hoffnung und auch voller Sorge. Wird Lena wieder gesund werden und sich jetzt endlich aufklären, was damals passiert ist.
Als die Eltern das Krankenzimmer betreten, ist der Vater mehr als erschrocken. Er taumelt und sagt nur diese beiden Sätze: „Das ist nicht Lena. Das ist nicht meine Tochter“.
Entsetzten macht sich breit, nicht nur bei den Betroffenen, sondern auch beim Leser. Bis hierhin klang es doch so schlüssig und doch war es eine falsche Spur. Und auch wieder nicht, wie wir am Ende erfahren werden. Als der Vater dann aber Hannah, die Tochter der schwer verletzten Frau sieht, wachsen Entsetzten, Ratlosigkeit und Fragen über Fragen, die zunächst niemand beantworten kann.
Hannah ist seiner Tochter Lena wie aus dem Gesicht geschnitten, die Ähnlichkeit ist frappierend. Nach wie vor versichert sie, dass ihre Mutter Lena heißt. Ihr jüngerer Bruder Jonathan ist allein im Zuhause der Familie zurückgeblieben und mit der Aufgabe betraut, Blutflecken aus dem Teppich zu entfernen. Viel Blut. All das berichtet Hannah in einem Ton, der keine Anteilnahme vermuten lässt und auch der Wortschatz und die Art, das Familienleben zu beschreiben, ist für die Betreuer nicht nachvollziehbar.
Bis das Ende des Romans erreicht ist, werden die Leser immer wieder mit verstörenden Details auf neue Spuren gelockt. Der Roman erzählt zum einen im Rückblick auf die vergangenen 14 Jahre und das aus der Sicht einzelner Betroffener. Da über jedem Kapitel der Name der gerade erzählenden Person zu finden ist, kann man sich leicht in den verschiedenen Erzählebenen zurechtfinden, ob gerade Gegenwart oder Vergangenheit erzählt wird, erschließt sich leicht aus dem jeweils Gesagten. Das Ende ist mehr als ungewöhnlich und doch auch in all seiner Schrecklichkeit logisch nachvollziehbar.