"Das ist Erinnerung"
Bewertet mit 5 Sternen
Mitte der 70er Jahre zieht August mit ihren kleinen Bruder und ihrem Vater nach Brooklyn. Ihre Mutter hat es nicht verkraftet, dass ihr Bruder im Krieg gefallen ist. Und so sind die drei ohne sie in das alte Viertel ihres Vaters gezogen. August immer in der Hoffnung, dass ihre Mutter bald zu ihnen zurückkehrt. Nur langsam erobert sich August ihren neuen Lebensraum, in dem Abhängige, Prostituierte und Kriegsversehrte das Straßenbild prägen. Kraft geben ihr schließlich ihre neuen Freundinnen Sylvia, Angela und Gigi.
Woodson erzählt in einfachen Worten vom Schmerz des Aufwachsens, des Alleingelassenwerdens und der falschen Hautfarbe. Jedes der Mädchen hat mit anderen Dingen zu kämpfen aber zusammen sind sie stark und schön. Dabei erfährt man viel nur zwischen den Zeilen. Die Sprache ist einfach und melancholisch aber gerade dadurch berührend. Aus nichts wird ein Drama gemacht auch wenn es dafür wahrlich Gründe gegeben hätte. Auch Brooklyn selbst ist ohne viele Worte anschaulich beschrieben.
"Wir trugen Rasierklingen in unseren Kniestrümpfen und ließen uns lange Fingernägel wachsen. Mit der Zeit bewegten wir uns auf den Straßen Brooklyns, als wären wir nie woanders gewesen - mit lauten Stimmen und noch lauterem Lachen.
Doch Brooklyn hatte längere Nägel und schärfere Klingen. Jeder zugedröhnte Soldat, jedes hungrige Kind mit aschfahlen Knien hätte uns das sagen können."
S. 60
Das Buch liest sich in einem Rutsch, da es nicht allzu lang ist und Woodson durch kleine Andeutungen hier und da die Spannung aufrecht erhält: Was ist aus den Mädchen geworden? Was haben sie durchgemacht? Was ist mit Augusts Mutter?
In diesem Roman komme mehrere Dinge zusammen, die ich mag: Ein durchgehend melancholischer Ton, Freundschaft und Erkenntnisse, die mit dem Erwachsenwerden einhergehen. Beschweren kann ich mich hier nur darüber, dass ich gerne einfach noch weitergelesen und mehr über August und die Mädchen erfahren hätte. Insgesamt ein absolut rundes Buch und ein berührendes Leseerlebnis.