Rezension

Das ist Qualitäts-Satire vom Feinsten!

QualityLand - Marc-Uwe Kling

QualityLand
von Marc-Uwe Kling

Bewertet mit 4 Sternen

Warum wollte ich das Buch lesen?

Eine zeitlang war "QualityLand" von Marc-Uwe Kling gefühlt überall zu sehen. Immer wieder bin ich auf Facebook und in einschlägigen Foren über dieses Buch gestolpert und irgendwann konnte ich nicht mehr widerstehen. Der Klappentext klang mega spannend und die vielen kontroversen Meinungen zur Geschichte haben mich angefixt. Ich bin nicht unbedingt jemand, der jeden Hype mitnimmt, aber "QualityLand" hat mich als moderne und offensichtlich gesellschaftskritische Satire einfach neugierig gemacht. Ich kenne zwar Klings "Känguru Chroniken" noch nicht, habe aber auch dazu viele begeisterte Meinungen gelesen und war mir deshalb sicher: "QualityLand" ist etwas für mich.

 

Auf den Punkt gebracht: Das macht die Handlung aus

"QualityLand" spielt in nicht allzu ferner Zukunft, was einem von der ersten Seite an gar nicht entgehen kann. Denn viele Elemente in Klings Roman erinnern überdeutlich an Dinge, die für uns mittlerweile alltäglich sind: Da wäre zum Beispiel TheShop, der Onlineshop, der immer genau weiß, was du brauchst und was du dir wünschst, und der es dir sofort per Drohne zusendet. Oder die Suchmaschine, die immer genau weiß, nach was du suchst und dir auf dich und dein Level zugeschnittene Ergebnisse liefert. Oder der digitale Assistent, der quasi das Denken und auch alles andere für dich übernimmt. Oder die Partnerplattform, die anhand deiner Daten genau den richtigen Partner für dich auswählt. Oder die Nachrichtenredaktion, in der es tagein tagaus nur darum geht, die reißerischsten Schlagzeilen und die spannendsten Artikel zu produzieren - mit eigener Fake News Abteilung, versteht sich. Na, wem kommt das ein oder andere davon bekannt vor?

 

Im Prinzip geht es also um unsere heutige Gesellschaft und um das, was aus ihr werden könnte. Weg von Individualität, hin zu Perfektion und Gleichschaltung. Marc-Uwe Kling erzählt von einem Leben, in dem die digitale DNA eines Menschen sein ganzes Leben bestimmt. In dem die Menschen entsprechend ihrer Herkunft, ihres gesellschaftlichen Status und vor allem ihres Nutzen für die Allgemeinheit klassifiziert werden. Man kann es weit bringen in QualityLand, man kann aber auch als Nutzloser eingestuft werden. Und dann hat man, wie Peter Arbeitsloser, der (Anti-)Held der Geschichte, nicht mehr viele Möglichkeiten. Was Marc-Uwe Kling dem Leser hier präsentiert, erscheint absurd, wirkt befremdlich und doch immer wieder erschreckend vertraut. Möchten wir in einer Welt leben, in der all unsere Daten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und in der uns Algorithmen anhand unseres Wohnortes und unseres Nutzerverhaltens im Netz klassifizieren und festen Schemata zuordnen? Oder tun wir das nicht schon längst?

 

"QualityLand" ist in erster Linie also bitterböse Gesellschaftssatire, überspitzt und überzogen, aber mit einem enormen Bezug zu unserer heutigen Gesellschaft. Dabei reizt Kling die Grenzen des Vorstellbaren immer wieder aus, spielt mit Humor und Absurdität. Mich hat dieser Stil richtig begeistert und mich vom einen großen Lacher in den nächsten "WTF"-Moment gestürzt.

 

Dinge, die mich wirklich beeindruckt haben

Ganz besonders ist das Marc-Uwe Klings Schreibstil, der voller Humor und Zynismus steckt. Eine geniale Mischung! Es ist aber auch die bestechende Logik, die hinter dieser absurden Zukunftsgeschichte steckt. In jedem Fall hat es dieses Buch geschafft, dass ich mich einerseits köstlich amüsiert habe, andererseits aber auch mehrfach richtiggehend schockiert war. Diese Ambivalenz finde ich einfach großartig.

 

Die Figuren...

...sind in erster Linie urkomisch. Nehmen wir zum Beispiel Peter Arbeitsloser, den Protagonisten, dessen persönlicher digitaler Assistent Niemand heißt. Man stelle sich die Gespräche zwischen Peter und Niemand vor - zum Brüllen. Als Maschinenverschrotter, der Maschinen mit Defekt nicht verschrottet, sondern im Keller hortet und ihnen sozusagen Asyl gewährt, ist Peter ein unglaublich origineller Charakter. Das gilt eigentlich für alle Figuren in "QualityLand", egal ob Mensch oder Androide. Marc-Uwe Kling hat sich bei den Personenbeschreibungen wirklich etwas einfallen lassen. Allerdings wirken die Figuren trotz ihrer einzigartigen Charakteristika oftmals wie Schablonen und zumindest ich hatte große Schwierigkeiten, einen Zugang zu ihnen zu finden. Einerseits passt es zwar zur Handlung, dass der Leser alles Offensichtliche über Peter erfährt, ihm seine wahre Natur jedoch verborgen bleibt. Andererseits aber macht es das unglaublich schwer, mit ihm zu fühlen, ihn wirklich zu verstehen. Das Gleiche gilt auch für die übrigen menschlichen Figuren und das ist in meinen Augen die größte Schwachstelle der Geschichte.

 

3 Gefühle, die ich während des Lesens hatte

Erkenntnis - eigentlich ist unsere Gesellschaft gar nicht so weit entfernt von QualityLand. Viele Dinge (ich denke da zum Beispiel an eine Dame namens Alexa) nutzen wir jetzt schon, andere wie zum Beispiel selbstfahrende Autos und Warenlieferung per Drohne sind auf dem besten Weg. Marc-Uwe Kling wirft die Frage auf, zu was für Menschen uns all diese Technologie in der Zukunft machen wird.

Belustigung - ein Kampfroboter mit posttraumatischer Belastungsstörung, ernsthaft? :D Absurdität findet man bei "QualityLand" auf jeder einzelnen Seite und ich finde es großartig.

Ehrfurcht - vor all der Verantwortung, die der technologische Fortschritt mit sich bringt. Wirklich, Marc-Uwe Kling regt zum Nachdenken an.

 

Das hat die Geschichte mit mir gemacht:

Auf jeden Fall hat mich "QualityLand" dazu gebracht, einmal mehr über all die Dinge, die für uns mittlerweile selbstverständlich sind, nachzudenken. Und ihren Nutzen zu hinterfragen. Denn Marc-Uwe Kling zeichnet, auf ziemlich unterhaltsame und dabei erschreckend realistische Art und Weise, das Bild einer Zukunft, in der wir zugunsten des technologischen Fortschritts jede Individualität verloren haben. Die Frage bleibt: Bringt uns all das, wovon wir denken, dass es unser Leben bereichert, am Ende wirklich weiter oder wirft es uns, zumindest was unsere Persönlichkeit und den Umgang miteinander angeht, nicht eher zurück?

Mein Fazit
Gibt es von mir eine Leseempfehlung zum Buch?

Klarer Fall: Ja! Marc-Uwe Klings "QualityLand" ist ein urkomischer, wahnsinnig unterhaltsamer Roman, bei dessen Lektüre man herzlich lachen kann, aber auch mächtig ins Grübeln kommt. Das ist Qualitäts-Prosa vom Feinsten, wenn ihr versteht. Als herrlich überspitzte Gesellschaftssatire mit mehr als nur einem Fünkchen Wahrheit hat "QualityLand" mein Herz im Sturm erorbert, auch wenn es mir stellenweise schwerfiel, mich mit den Charakteren zu identifizieren. Aber vermutlich ist das Teil der Botschaft, die Marc-Uwe Kling mit seiner Geschichte transportiert.