Rezension

Das können Sie aber deutlich besser, Herr Meyer !

Phantasmen - Kai Meyer

Phantasmen
von Kai Meyer

Bewertet mit 2 Sternen

Ein paar Jahre ist es her, das Rain und ihre Schwester Emma ihre Eltern durch einen Flugzeugabsturz verloren haben. Seitdem hat sich die Welt sehr verändert. Plötzlich tauchten überall auf der Welt Geister auf. Erst nur vereinzelt, doch dann immer mehr. Geister, die so hell leuchten, das es in vielen Städten und Gebieten bald schon rund um die Uhr taghell erscheint.

Um ihre Eltern, bzw. deren Geister ein letztes Mal zu sehen, machen sich die Schwestern auf in die Desierto de Tabernas. 

In der Wüste sind sie nicht alleine, denn auch Norweger Tyler besucht die Absturzstelle um seine Liebste noch einmal zu sehen.

Als die erste Smilewave, ein bösartiges Grinsen auf den Gesichtern der Geister, einsetzt, müssen die drei um ihr Leben laufen und werden so zu einem Team....

Meinung:

Das Cover zeigt von Nebel oder Dunst umwaberte Menschen, bei denen ich mir nicht ganz sicher bin, ob es sich ausschließlich um Geister handelt oder ob das Mädchen im Vordergrund  vielleicht Rain oder Emma darstellen soll. Es wirkt geheimnisvoll und düster. Sowohl Cover und Klappentext haben mein Interesse sehr schnell wecken können.

Ich hatte mich so sehr auf dieses neue Buch von Kai Meyer gefreut und bin im Nachhinein so furchtbar enttäuscht. 

Die Idee hinter der Handlung ist neu und aufregend, interessant und ausbaufähig. Die Umsetzung jedoch wirkte auf mich absolut unausgegoren und kein Stück nachvollziehbar.

Nachdem die erste Smilewave in der Wüste einsetzt und die drei jungen Leute um ihr Leben laufen müssen, verbünden sie sich. Tyler erzählt ihnen, das einige der Passagiere des "abgestürzten Flugzeugs" als Probanden am Leben gehalten wurden und zwar von einer Art Prediger/Oberguru, wenn man so will. Dieser hat wohl große Pläne, die für mich zu keinem Zeitpunkt klar ersichtlich sind. Er strebt wohl irgendwas Größeres an, aber ob er jetzt die übrige Menschheit kontrollieren oder vernichten will oder die ganze Show nur zu irgendwelchen Selbstverwirklichungszwecken abzieht: Keine Ahnung. 

Durch die blassen Protagonisten wird das Ganze leider auch nicht gerade besser. 

Für Rain, die uns die Geschichte aus ihrer Sicht erzählt, steht ihre Schwester Emma an erster Stelle. Sie versucht grundsätzlich die Jüngere vor allem zu beschützen, dabei hat sie selbst mit bösen Albträumen zu kämpfen, die sie plagen seitdem sie eine Zeit in Afrika verbracht hatte. 

Emma ist ein sonderbares Mädchen, sie scheint mir übermäßig intelligent zu sein, aber auch sehr in sich gekehrt.

Was ich mich in Bezug auf die Mädchen beschäftigt, ist die Frage: Warum sind sie eigentlich in der Wüste ?  Sie möchten ihre Eltern noch ein letztes Mal sehen, schon klar, aber ich frage mich ernsthaft wieso. Scheinbar war das Verhältnis dieser Familie, so kommt es zumindest rüber, alles andere als toll. Durch kurze Rückblicke der beiden Schwestern erfahren wir, das die Eltern ihre Hilfstätigkeiten in Afrika ihren Kindern vorgezogen haben. Hilfe ist sehr löblich und find ich gut, aber nicht auf Kosten der eigenen Kinder, sorry. Also beschäftigt mich auch weiterhin die Frage: Warum dieser beschwerliche Aufwand, in die Wüste zu reisen um Menschen ein letztes Mal zu sehen, für die man nur an zweiter Stelle stand ? 

 Und was sind Tylers Beweggründe für die Reise in die Desierto de Tabernas ? Das wird relativ schnell klar: Auch seine Freundin Flavie war ein Passagier des Fluges, an dessen Bord sich auch die Eltern der Mädchen befanden. 

Er vermutet das Flavie eine der Probanden ist, woher er überhaupt von diesen weiß, ist mir auch so ein Rätsel. Ich frage mich die ganze Zeit ob ich an Gedächtnisverlust leide oder vielleicht Seiten überblättert habe, es ist mir jedenfalls nicht klar. 

Seine Beziehung zu Flavie ? Auch fragwürdig. Wo haben sich die beiden überhaupt kennengelernt ? Wenn sie doch aus Frankreich und er aus Norwegen stammt ? Warum erfährt man nichts darüber und warum versucht Tyler sie zwar zu finden, vermittelt mir als Leser aber keine seiner Emotionen, obwohl Flavie doch seine "große Liebe" war ?

Fakt ist jedenfalls das sich die drei irgendwann gemeinsam auf die Suche nach den Probanden machen, dabei durch ein Meer von Geistern wandern müssen, deren Grinsen sie nicht erwischen darf. Verfolgt werden sie dabei auch noch, und zwar von Haven, der für den Prediger/Oberguru arbeitet und die Probanden von Spanien nach Amerika bringen soll. Da die Jugendlichen dummerweise seinen Weg kreuzen, lädt er diese gleich mit ins Flugzeug. In den USA kommt es dann zum Showdown und all die auf der gesamten Reise entstandenen Probleme und Rätsel lösen sich mit mäßig spannendem, nur sehr leise vernehmbaren "Buff" auf, als wäre alles ganz logisch und einfach zu erklären. Für mich ist diese Auflösung alles andere als zufriedenstellend, denn hier geschehen gleich mehrere haarsträubende Dinge die für mich nicht nachvollziehbar sind und mich mit einem großen Fragezeichen zurücklassen.

Hätte mich die Handlung gepackt, dann wäre ich Dank Kai Meyers leichtem, angenehmen Schreibstil sicher schnell durch die Geschichte geflogen. So war's aber ein eher zähes Erlebnis, bei dem mir die Emotionen, Hintergründe und Beweggründe verborgen blieben. 

Wer mit Geschichten ohne viel Tiefe kein Problem hat und sich mit einer neuen, aber mäßig umgesetzten, Idee einfach nur mal ein bisschen ablenken möchte, der ist hier bestimmt gut bedient. Für mich, die ich einen spannenden dystopischen Jugendroman im klassischen Kai Meyer - Stil erwartet habe, war das Buch leider ein absoluter Reinfall. 

Es tut mir schon beinahe leid, das ich dieses Buch wirklich schlecht fand, denn ich schätze die Arbeiten von Kai Meyer sehr, aber hier frage ich mich ernsthaft: Was hat er sich dabei nur gedacht ?

Fazit:

"Phantasmen" konnte mich leider nicht begeistern. Die Idee war neu und einzigartig, die Umsetzung wirkte auf mich jedoch einfach nur unausgegoren. Blasse Charaktere, zu wenig Emotionen und eine zähe, haarsträubende Handlung sorgten hier für alles andere als Lesevergnügen. 

©Ina's Little Bakery