Rezension

Das kostbare Vermächtnis der Großeltern zwischen zwei Buchdeckeln verwahrt

Aus Opas Federhalter und Omas Handtasche - Elke Ottensmann

Aus Opas Federhalter und Omas Handtasche
von Elke Ottensmann

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Wenn seine Eltern und Brüder auch nicht mit ihm gehen konnten, so gaben sie ihm doch etwas mit auf den Weg, das kein Geld der Welt aufwiegen konnte. Etwas, das er nicht in seinem Reisegepäck hatte, sondern direkt in seinem Herzen. Die Liebe, die Geborgenheit und die Gebete seiner Familie umhüllten seine Seele wie eine unsichtbare Schutzhülle und machten sie stark. Das grenzenlose Vertrauen zueinander gab ihm ein Gefühl tiefer Geborgenheit. Dann kam der Zug, und Günter trat seine unfreiwillige Reise in die Ungewissheit an. Kurz bevor Günter in den Zug einstieg, drehte er sich noch einmal zu Arthur um und sagte beinahe entschuldigend: "Weißt du Vatel, wenn ich dann vor einem Russe stehe, der vielleicht ein Vater ist wie du, kann ich ihn nicht erschießen. Seid mir bitte nicht böse, wenn ich dabei mein eigenes Leben verlieren sollte."" 

 

 

Als Christoph, der Cousin der Autorin die kleine Tür zur Dachschräge öffnet, ahnt er noch nicht welchen kostbaren Schätze ihn dort erwarten werden. Seit Jahrzehnten unberührt und verstaubt, findet er die blaue Handtasche der Großmutter mit Briefen, Gedichten, Feldpost, Zeichnungen und Fotos. Beim Durchschauen wurde schnell klar, dass diese Erinnerungen ihrer Großeltern für weitere Generationen nicht verlorengehen dürfen. Und so entstand die Idee zu diesem Buch.  

 

Schon der Titel könnte passender nicht sein: "Aus Opas Federhalter und Omas Handtasche - Erinnerungen an die geliebte Heimat". Auch das Cover weckte bei mir sofort Emotionen an meine eigenen Großeltern und ihre Geschichte(n). 

Zudem eignet sich das Buch wirklich hervorragend als Geschenk für die ältere Generation, die teilweise noch selbst den Krieg und die Flucht erlebt haben. Aber sicher auch für alle anderen Leser, die an wahren Rückblicken und Erinnerungen zu dieser Zeit interessiert sind. 

Wie gewohnt beim SCM-Verlag ist das Buch als Hardcover mit Lesebändchen hochwertig und hat zudem noch eine große Schrift, was ich als sehr angenehm empfand. Briefe, Gedichte und andere Zeitzeugnisse sind im Text kursiv gedruckt und deshalb sofort als solche zu erkennen. Manchmal hatte ich das Gefühl wirklich daneben zu stehen und Arthur, dem Opa über die Schulter zu schauen. Nicht selten entstanden bei mir Bilder im Kopf, weil diese Zeitzeugnisse im Original natürlich nicht authentischer sein können und man förmlich die Gefühle der Familienangehörigen beim Lesen spürt. Besonders die Zeit des Krieges und direkt danach, machten mein Herz oft schwer und ich habe mich immer wieder gefragt, ob wir bis heute nichts aus dieser Zeit gelernt haben. Denn das Thema ist brisanter denn eh und je: Krieg, Flucht und eine Heimat, die man zurücklässt. Dafür dann Ablehnung und noch mehr Gewalt für die Vertriebenen. Im Buch schreibt die Autorin, dass die Familie sogar Ablehnung von seitens der Kirche erfuhr; was für mich einfach unvorstellbar ist. Und was mich auch sehr berührt hat, war die Tatsache, dass Arthur und seine Familie als Christen sogar auf der Liste der Nazis und damit kurz vor ihrem Abtransport nach Auschwitz standen. Was für ein unglaubliches Glück, dass ihnen dies erspart blieb und Johanna vor der Vertreibung so umsichtig war, alle Dinge, die ihr viel bedeutet haben und die für sie kostbar waren, zusammengepackt, mitgenommen und wie ihren Augapfel behütet hat.     

 

Es gibt so viel in diesem Buch zu entdecken, neben den wirklich bewegenden Kriegserinnerungen gibt es auch humorvolle Momente, wie die Geschichten, wie aus Alfred Arthur wurde oder Johannas Begegnung mit dem vergrabenen Nußlikör. Oder Momente, die zu Herzen gehen, wie Arthur Liebe zu seinem Hannerl. Man spürt ihre Zuneigung und ihre Warmherzigkeit in jeder Zeile. Genau wie ihren festen Glauben an Gott als die unversiegbare Quelle ihrer Kraft. Denn, dass sie in so schwierigen Zeiten offen für alle Menschen, und trotz aller Not ehrlich und aufrichtig geblieben sind, ist nicht selbstverständlich, finde ich. 

Etwas das mir noch im Gedächtnis geblieben ist, ist die gute Balance die die Autorin schafft. Sie verurteilt nicht pauschal, sondern zeigt, dass in allen schweren Zeiten auch immer Platz für Gottes Gnade, Trost und Hoffnung ist und man nicht alle Menschen über einen Kamm schehren darf. 

 

 

Fazit: 

Eine Enkelin, die das Vermächtnis der Großeltern fortführt und aus ihren Hinterlassenschaften ein wunderschönes, berührendes Buch schreibt. Ein bewegendes Zeitzeugnis mit originalen Erinnerungen und Fotos, dass ich jeden gern ans Herz legen kann.