Rezension

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„Das Labyrinth des Fauns“ – Ein Buch zum Film

Das Labyrinth des Fauns
von Cornelia Funke Guillermo Del Toro

Bewertet mit 3 Sternen

„Das Labyrinth des Fauns“ ist ein Buch zum Film. Ein wirklich Gutes, keine Frage. Aber es ist dennoch nur ein Buch zum Film. Und ich werde den Eindruck nicht los, dass es nicht wirklich nötig gewesen wäre, dieses Buch zu schreiben...

1944 verschlägt es die zwölfjährige Ofelia aufs Land, wo ihre verwitwete Mutter dem sadistischen Capitan Vidal einen Sohn gebären soll. In einer alten Mühle mitten im Wald stationiert, soll Vidal eine Rebellengruppe aufspüren – und vernichten. Dabei bedient er sich brutalster Mittel.

Die märchenverliebte Ofelia versucht, aus dieser kaputten und grausamen Welt zu fliehen. In ihre eigene Welt. In eine Welt voller Feen und sagenhafter Gestalten, die auch nicht alle liebenswert sind. Die die Grausamkeit der realen Welt teilweise einfach nur verzerrt wiederspiegeln. In Ofelias Vorstellung ist diese Welt aber ihr eigentliches Zuhause. Ihr Zuhause, dem sie vor Ewigkeiten verloren ging. Sie ist sogar die Prinzessin dieser Welt. Allerdings muss sie nun, da sie von ihren Untertanen wiedergefunden wurde, drei Aufgaben bestehen, um nach Hause zurückkehren zu dürfen. Und das würde sie doch so gern – nach Hause kommen. Doch man sollte darauf achten, was man sich wünscht, es könnte in Erfüllung gehen.

Diese Zusammenfassung schrieb ich ziemlich genau so, als ich vor gut zwölf Jahren den Film „Pans Labyrinth“ im Kino gesehen hatte. Er berührte mich tief und nachhaltig und ich schaute ihn mir seitdem mindestens drei weitere Male an. Ich liebe diesen Film. Und ich hasse ihn.
Als nun Anfang des Monats ein Buch erschien, dass von Guillermo del Toros großartigem Film inspiriert sein sollte und auch noch von keiner geringeren geschrieben wurde als Cornelia Funke, war ich Feuer und Flamme. Die Story des Buches erschien mir etwas märchenhafter, fiktiver, als ich den Film in Erinnerung hatte:

  • Ofelia muss für den Faun drei Aufgaben erfüllen. Vor dem nächsten Vollmond. Gelingt ihr dies, ist sie die Prinzessin des magischen Reiches, in welchem sie Zuflucht vor ihrem Stiefvater findet. Gelingt es ihr nicht, die Aufgaben zu lösen, ist die Zauberwelt verloren.

Ich weiß nicht, was ich daraufhin erwartet habe. Jedenfalls keine bildgenaue Nacherzählung des Films. Was vielleicht blauäugig von mir war. Jedenfalls ist es genau das. Funke erzählt in „Das Labyrinth des Fauns“ haargenau die Handlung von „Pans Labyrinth“ nach – alle wunderschönen Bilder, alle brutalen Grausamkeiten, alle märchenhaften Ausflüge. Das gelingt ihr auch hervorragend – mit Worten, welche die Stimmung des Films sehr gut einfangen.

Mehr Märchen, weniger Realität

Ergänzt wird del Toros Geschichte mit zehn kurzen Zwischensequenzen. Szenen aus der Vergangenheit, die das Geschehen mehr ins Märchenhafte ziehen, der Realität ein wenig Raum nehmen und die Brutalität ein wenig dämpfen.

„Das Labyrinth des Fauns“ ist ein Buch zum Film. Ein wirklich Gutes, keine Frage. Aber es ist dennoch nur ein Buch zum Film. Und ich werde den Eindruck nicht los, dass es nicht wirklich nötig gewesen wäre, dieses Buch zu schreiben. Für mich kann ich sagen, dass mir das Mehr an Erläuterungen, den geschriebenen Blick in die Gedanken der Charaktere, keinen Mehrwert gibt. Es nimmt mir eher etwas. Es nimmt mir den Raum für eigene Vermutungen und Deutungen. Ich mag es, mir meine eigenen Gedanken machen zu dürfen, selbst hinter das Geschehen und hinter die Gesichter zu blicken und eigene Schlüsse zu ziehen.

Was die Altersempfehlung angeht (Spoileralarm!)

Es gibt ein paar wirklich brutale, grausame, ausführlich beschriebene, blutige Szenen. Ganz am Anfang zerstört Vidal das Gesicht eines jungen Mannes mit einer Flasche und tötet ihn vor den Augen seines Vaters – eiskalt, seine Handlungen auskostend. Für mich in Film und Buch eine der furchtbarsten Szenen. Dennoch empfinde ich die Altersempfehlung ab 14 Jahren in Ordnung. Warum?

Kinder vertragen viel mehr Grausamkeit, als wir Erwachsenen es ihnen oft zutrauen. Wir wollen sie davor bewahren, dabei sehen sie eh viel mehr. Viel mehr als wir. Und sie wissen, dass es Monster gibt. So wie Ofelia. Ich denke, die meisten Jugendlichen (und das sind 14-Jährige) kommen mit der Thematik und ihrer Darstellung klar. Und wenn nicht, können sie das auch meist schon für sich selbst entscheiden.

Berührt da, wo es weh tut

Vieles im Buch empfand ich übrigens nicht so verstörend, grausam und gruselig wie im Film. Die Beschreibungen der grausigen Märchenmonster kamen an die Darstellung im Film meiner Meinung nach nicht ran. Die Stimmung im Film empfand ich als düsterer, drückender, realer. Vielleicht weil Funkes Märchensequenzen das Ganze ein wenig märchenhafter machen und es so nicht ganz so weh tut.

Ich schließe mit einem weiteren Zitat meiner damalaigen Filmrezension. Einfach weil ich es auch heute nicht besser in Worte zu fassen vermag:

Das Zeigen der Grausamkeit und Brutalität ist keine unnötige Effekthascherei. Sie ist notwendig, um die Stimmung zu begreifen, um das Geschehen zu verstehen… Die Geschichte berührt da, wo es weh tut, gibt aber gleichzeitig Hoffnung. Zumindest darauf, dass es immer und überall auch Menschen gibt, die das Richtige tun, egal was für Folgen es für sie haben mag.