Rezension

Das Leben des Achill aus der Sicht seines Gefährten

Das Lied des Achill - Madeline Miller

Das Lied des Achill
von Madeline Miller

Bewertet mit 4.5 Sternen

Das Buch erschien im englischen Original zuerst 2011, die deutsche Ausgabe bereits 2011 bei Bloomsbury.

Patroklos, der (sterbliche) Sohn des Menoitios und der Sthenele hat wenig Erinnerungen an seine frühe Kindheit. Da er nicht der Erbe seines Vaters sein wird, beginnt schon zeitig ein dynastisches Schachern, um den Jungen mit einer Tochter aus einflussreichem Haus zu verheiraten. Er lernt dabei früh, wie Bündnisse funktionieren, was Loyalität ist und wie er sich zu benehmen hat. Als in einem Konflikt unter Kindern ein Gleichaltriger stirbt, wird der ohnehin ungeliebte Sohn ins Exil verbannt, um das Ansehen seines Vater zu schützen. Bei König Peleus in Thessalien wird Patroklos zum Gefährten des Thronfolgers Achill, dessen Leben er hier aus der Perspektive des Vertrauten erzählt. Achill wird nach einer Weissagung größter Krieger seiner Generation werden und muss trotz offensichtlicher Begabung für den Kampf zunächst den  militärischen Drill ertragen, der ihn auf ein Leben als Krieger vorbereitet. Dass er mit einem Gefährten gemeinsam erzogen wird, ist eine bewährte Methode, um Achill in der Zeit der Ausbildung bei Laune zu halten. Über das Getümmel auf Schlachtfeldern hinaus geht es in seiner Vorbereitung um den Umgang mit der Macht, um  Führungskompetenzen und diplomatische Fähigkeiten. Natürlich habe ich mich gefragt, welche Rolle für Patroklos gedacht ist, nachdem Achill seine Ausbildung abgeschlossen hat. Wie wird er einsetzen, was er am Königshof und beim Zentauren Chiron gelernt hat? Hat Peleus mit der Wahl des jungen Patroklos als Gefährten für Achill erreicht, was er bezwecken wollte?

Die jungen Männer werden unzertrennlich und verbringen außerhalb des Kampftrainings viel Zeit miteinander. Früh wird Millers Lesern die Rollenverteilung deutlich: Patroklos wirkt in der ungleichen Beziehung anspruchslos und mit der Rolle der Bewunderers zufrieden. Schon bald zeigt sich, dass die Beziehung der Gefährten mehr ist als eine Phase während des Heranwachsens.

Schon in „Ich bin Circe“ hat Madeline Miller mich damit verblüfft, wie fesselnd sie Geschichte in persönlichen Schicksalen erzählen kann. Mit Patroklos wählt sie für ihren Entwicklungsroman einen Berichterstatter, der noch immer aufgewühlt wirkt, von dem, was er zu erzählen hat. Er berichtet auch – zeitlos – über eine Gesellschaft und ihre wütenden jungen Männer, das Männerbild der Väter und die Macht kontrollierender Mütter.