Rezension

„Das Leben in einem Atemzug“ ist ein sensibler, nachdenklicher Roman, der seinen Leser schnell in den Bann zieht und ihm einen ganz hervorragenden Einblick zu geben vermag in die moderne indische Gesellschaft im Umbruch

Das Leben in einem Atemzug - Neel Mukherjee

Das Leben in einem Atemzug
von Neel Mukherjee

Bewertet mit 5 Sternen

Neel Mukherjee, Das Leben in einem Atemzug, Kunstmann Verklag 2018, ISBN 978-3-95614-254-3

 

Neel Mukherjee, britischer Schriftsteller indischer Herkunft, hat mit seinem schwergewichtigen Familienepos “In anderen Herzen“ vor einigen Jahren die Literaturkritik nicht nur in England begeistert.

 

In seinem neuen Roman „Das Leben in einem Atemzug“, weniger umfangreich als sein Vorgänger, steht nicht mehr wie ehedem eine ganze Familie in all ihren Verästelungen im Vordergrund, sondern es geht um einzelne Menschen. Alle sehnen sie sich nach einem besseren Leben, sie streben mit ihrer ganzen Kraft danach, wollen ausbrechen aus einem Leben, das ihnen unveränderlich vom Schicksal vorgegeben scheint.

 

Was geschieht, wenn Menschen ihr Leben, ihr Zuhause verlassen um für sich und ihre Familie nach etwas Besserem zu suchen?

 

Fünf unterschiedliche Lebensschicksale hat der Autor erfunden, die in ihrer Summe ein beeindruckendes Bild der gegenwärtigen indischen Gesellschaft vermitteln. Da beschreibt er eine Köchin in Mumbai, die in sechs Haushalten kochen muss, um ihren Lebensunterhalt einigermaßen zu sichern. Oder der Mann, der einen Tanzbär besitzt und mit ihm von Ort zu Ort zieht und auf die Almosen der Zuschauer seiner Künste angewiesen ist. Beeindruckend auch das Mädchen, das vor den Terroristen, die ihr Dorf mit Gewalt bedrohen, flieht, um in der Stadt einen neuen Anfang zu wagen.

 

Sie alle machen die Erfahrung vom Alleinsein, von Fremdsein, müssen sich damit auseinandersetzen, kein Zuhause mehr zu haben. Und immer scheint in allen Geschichten durch, dass eine alte, überwunden geglaubte Gesellschaftsform noch mächtiger ist, als man offiziell zugeben mag. Das alte Kastensystem, obwohl abgeschafft, ist im Alltag der Menschen immer gegenwärtig. Nach wie vor ist es sehr schwer, aus seinem Stand in eine höhere Gesellschaftsschicht aufzusteigen.

 

Lange bleibt unklar, ob sich die Schicksale der beschriebenen fünf Menschen am Ende in irgendeiner Form berühren werden.

 

„Das Leben in einem Atemzug“ ist ein sensibler, nachdenklicher Roman, der seinen Leser schnell in den Bann zieht und ihm einen ganz hervorragenden Einblick zu geben vermag in die moderne indische Gesellschaft im Umbruch