Rezension

Das Leben ist wie ein Schachspiel voller Möglichkeiten

Die Mitternachtsbibliothek -

Die Mitternachtsbibliothek
von Matt Haig

Bewertet mit 5 Sternen

Nora Seed wählt mit Mitte dreissig, ihr Leben zu beenden. Überraschend landet sie in einer Bibliothek - ihrer Bibliothek, in welcher unzählige Bücher für all die möglichen Leben stehen, welche sie hätte leben können, wenn sie sich zu verschiedenen Zeitpunkten ihres Lebens anders entschieden hätte. Zuvor gibt ihr die Bibliothekarin das Buch des Bereuens mit all den Entscheidungen, welche Nora im Laufe ihres Lebens bereut hat. Ein recht umfangreiches Buch. Nun erhält sie die Chance herauszufinden, was geschehen wäre, hätte sie sich jeweils anders entschieden - um sich für eine dieser Lebens-Varianten zu entscheiden.

Was wäre, wenn… Wer hat sich diese Frage nicht bereits schonmal gestellt? Noras Kopf war zum Schluss voll mit diesen Fragen, welche sie regelrecht in die Verzweiflung trieben. Nach und nach hat sie nun Gelegenheit zu erkunden, was wirklich wichtig ist im Leben. Ist es Erfolg, der glücklich macht? Sind es erfüllte Träume und Wünsche? Und sind es wirklich die eigenen Wünsche oder die der anderen, welche man zu erfüllen versucht? Hätte Nora ein besseres Leben als Spitzensportlerin, Künstlerin oder Naturforscherin? Hätte sie ihre Jugendliebe heiraten sollen oder auswandern? Manchmal sind es sogar nur unbedeutend scheinende Entscheidungen, welche das Leben gravierend beeinflussen können. Und oftmals nicht nur das eigene Leben.

Matt Haig lässt den Leser gemeinsam mit Nora mehrere Leben erkunden, verschiedene Varianten, welche durch jeweils andere Entscheidungen entstanden wären. Dabei ist das Leben vergleichbar mit einem Schachspiel, bei dem es ebenfalls bereits nach mehreren Entscheidungen eine Vielzahl von Varianten gibt. Bei der Suche nach ihren wirklichen Wünschen findet Nora letztlich sich selbst - und den Willen, weiterleben zu wollen.

Ein äusserst faszinierendes Buch, ich hatte regelrecht Freude daran, neugierig in Noras andere Leben hineinzuschnuppern. Erschwerend war für sie, dass Nora zwar jeweils in die Rollen ihres alternativen Ichs schlüpfte, ihr Bewusstsein aber beibehielt, statt das Wissen der anderen Nora zu übernehmen. Dadurch entstanden einige knifflige Situationen, welche sie mal mehr, mal weniger gut meisterte. Die Entwicklung, welche Nora bei ihren Reisen in ihre anderen Leben durchmacht, ist ebenso interessant wie die Erkenntnisse, welche sie dabei gewinnt. Ob sie die Mitternachtsbibliothek wirklich besucht hat oder alles nur ein Trick ihrer Psyche war, bleibt dem Leser selbst überlassen.

Ein faszinierendes „Was wäre, wenn“-Spiel, welches der Autor seine Protagonistin in seinem Buch durchleben lässt und das zu der Erkenntnis führt, dass auf den ersten Blick besser wirkende Entscheidungen nicht zwangsläufig auch die bessere Wahl zu einem glücklicheren Leben gewesen wären. Tiefgründig und unterhaltsam zugleich.

Kommentare

Tine kommentierte am 08. Februar 2021 um 14:51

Schöne Rezension und deine Überschrift mag ich sehr! Wie passend =)

La Tina kommentierte am 08. Februar 2021 um 17:44

Dankeschön :-)