Rezension

Das Leben schreibt die unglaublichsten Geschichten

3096 Tage - Natascha Kampusch

3096 Tage
von Natascha Kampusch

Ich kann und möchte dieses Buch nicht rezensieren, als sei es ein Roman. Es wurde nicht zu meiner Unterhaltung geschrieben; es ist das ungeschminkte Spiegelbild einer erschreckenden Realität.

Die meisten Menschen werden die Geschichte zumindest in groben Umrissen aus den Nachrichten kennen: ein 10-jähriges Mädchen wird von einem Fremden in einen weißen Lieferwagen gezerrt - und verbringt dann den Rest ihrer Kindheit und Jugend als seine Gefangene, nein, seine Sklavin, in einem ausgeklügelt versteckten, winzigen Kellerverlies. Sie muss Einiges ertragen; die Schraube der Gewalt dreht sich immer enger. Isolationshaft, Demütigungen, Tritte und Schläge, Hunger, sexuelle Übergriffe. Die meisten Menschen wären wohl daran zerbrochen.

Umso unglaublicher ist es, das Geschehene aus Sicht von Natascha Kampusch zu lesen. Man gewinnt den Eindruck, dass hier eine unglaublich starke, intelligente und geradezu weise Persönlichkeit spricht. Manche Menschen mögen Natascha übelnehmen, dass sie sich nicht in der Opferrolle einsperren lässt, dass sie sich nicht verhält, wie Viele es von einem Opfer erwarten... Man nimmt ihr übel, dass sie dem Täter verzeiht; man reagiert mit Befremden auf die Schilderungen kleiner gestohlener Momente der Normalität, vielleicht sogar des Glücks.

Wer sind wir, wir Außenstehenden, wir Voyeuere ihres Lebens, dass wir uns anmaßen können, über die Überlebensstrategien eines mutigen Kindes zu urteilen?