Rezension

Das letzte Jahr

Die Mauersegler -

Die Mauersegler
von Fernando Aramburu

Toni hat sich entschieden: Er will nicht mehr leben. Ein Jahr noch, in dem er an jedem Abend seine Gedanken zu Papier bringen will, und am 31. Juli soll dann Schluss sein. Dieses Buch besteht aus Tonis Notizen: 365 Abschnitte, in denen er ganz Unterschiedliches erzählt - mal die Ereignisse des Tages, dann Erinnerungen an seine Kindheit, Szenen aus seiner gescheiterten Ehe, aus seinem Berufsleben, von Treffen mit seinem Freund und vom Gassigehen mit Hund Pepa. 

Toni ist voll  Bitterkeit: Er lässt kein gutes Haar an seiner Exfrau Amalia, sein Sohn ist eine Enttäuschung für ihn, seine Schüler und Kollegen (er ist Philosophielehrer an einem Gymnasium) nerven ihn. Sein einziger Freund will gemeinsam mit ihm den Freitod wählen, doch auch ihn behandelt er respektlos; so nennt er ihn im Geheimen bei einem völlig unangebrachten Spitznamen. Kurz: Toni ist ein Misanthrop, der andere Menschen nicht mag. Er lässt sie nicht an sich herauskommen, und er macht es auch mir als Leser schwer, mit ihm mitzufühlen.

Ein Protagonist muss ja nicht unbedingt sympathisch sein; die Helden ohne Fehl und Tadel sind mir ohnehin suspekt, da sie nicht lebensecht sind. Doch was soll ich von Toni halten? Ist das ein glaubwürdiger Charakter, der erst gegen Schluss des Buches eine langsame Veränderung seiner Persönlichkeit erkennen lässt? Oder ist er dann doch zu flach - kann ich einem Philosophielehrer glauben, dass er keine Selbstkritik übt, dass er nicht erkennt, dass er die Wahrheit nicht gepachtet hat und keinerlei Ansatz zu einem Perspektivenwechsel zeigt? Dann wirkt der Schluss nicht überzeugend.

Das Buch lässt mich zwiegespalten zurück. Gut gefallen hat mir die Form: Die vielen kurzen Abschnitte setzen sich wie ein Puzzle zusammen zu einem Bild von Tonis Leben. Einzelne Episoden werden mehrfach beleuchtet und erhalten so mehr Tiefe. Auch die Sprache ist sehr wohltuend zu lesen: Aramburo kann erzählen! Und er beschönigt nichts: Für Toni ist Sex wichtig, und er beschreibt mit gnadenloser Ehrlichkeit einige Szenen, die ich einfach nur widerlich finde. Aber dies und auch andere Einblicke in Tonis unangenehmen Charakter haben mich so abgestoßen, dass ich mich zum Weiterlesen zwingen musste. Das Ende war für mich vorhersehbar, echte Spannung kam also nicht auf. Die Einblicke in die politische Situation in Spanien waren für mich ebenfalls nicht erhellend.

Alles in allem: Positive Aspekte, aber leider hat mich das Buch im Ganzen doch enttäuscht. Ich hatte mir mehr erhofft.